Onlive – Die Zukunft der Videospiele?


Am 17. Juni 2010 war es dann endlich soweit. Das Ende der Electronic Entertainment Expo (E3) in Los Angeles leitete gleichzeitig den Beginn eines neuen Zeitalters der Computerspiele ein. Nach acht Jahren Entwicklungszeit ist der Spielestreamingdienst „Onlive“ nun in 48 US-Staaten verfügbar. Doch was kann das von Steve Perlman ins Leben gerufene Projekt dem geneigten Nutzer bieten und wann dürfen die Europäer mitspielen?

Von der schicken Pappbox, über olle Plastikhüllen, bis zum Spieledownload. So oder so ähnlich könnte man auf die Entwicklung beim Vertrieb von Videospielen in den letzten zehn Jahren zurückblicken. Der nächste Schritt soll nun mit der Einführung von „Onlive“ gelingen. Der Spielestreamingdienst ermöglicht, dass auf dem eigenen Rechner keinerlei Programmteile mehr installiert werden müssen. Der Spieler greift per installierter Browserimplementierung auf einen Server zu und beginnt das Stück Software seiner Wahl zu spielen. Lokale Rechenleistung spielt keine Rolle mehr. Eingabedaten von Maus, (Handy) -tastatur oder Gamepad gelangen in Windeseile zur Serverfarm. Hier wird der Videostream in einer maximalen Auflösung von 720p berechnet und per Breitbandverbindung zum Spieler geschickt. Auf dem offiziellen Blog spricht Perlman von einem besonders interessanten Feature: „Included in your monthly service fee are cloud-saving of games you’ve purchased—pause, and instantly resume from anywhere, even on a different platform.“

Die Vorteile dieses Prinzips liegen auf der Hand. Das alljährliche Aufrüsten des eigenen Rechners fällt weg, was sich der Spielestreaminganbieter monatlich mit 14,95 Dollar bezahlen lässt. Allerdings wird noch bis Mitte Juli das „Founding Members Program“ angeboten. Für die ersten Onlive-Kunden entfallen im Jahr eins die monatlichen Grundgebühren. Vielleicht eine firmeninterne Vorsichtsmaßnahme, denn ein werbe-finanzierter Konkurrent, welcher ohne monatliche Gebühr auskommen soll, steht bereits in den Startlöchern.

Bereits in diesem Frühjahr sollte das Streamingangebot „Gaikai“ ins Rennen geschickt werden. Deren Chefentwickler Dave Perry sieht die Plattform allerdings eher als Ergänzung zum klassischen Ladenverkauf. In Zusammenarbeit mit dem Verkaufsportal Amazon soll so z.B. Kaufinteressenten von Computer- und Konsolenspielen das vorherige Anspielen von Demoversionen ermöglicht werden. Im Gegensatz zu „Onlive“ soll die benötigte Serverstruktur allerdings nach Bedarf auf- und ausgebaut werden.

In Deutschland ist „Gamesload.de“ mit 29 Prozent Marktanteil (Stand: Feb. 09) der umsatzstärkste Anbieter kommerzieller Spieledownloads. „In Deutschland erwirtschaftete die gesamte Branche der Unterhaltungssoftware im Geschäftsjahr 2009 einen Umsatz von etwa 1,6 Mrd. Euro“, berichtet Olaf Wolters, Geschäftsführer des Bundesverbandes Interaktive Unterhaltungssoftware. Im Jahr zuvor konnte sich „Gamesload.de“ 5,5 Mio. Euro dieses Kuchens sichern. Betrachtet man die Konzepte „Onlive“ und „Gaikai“, so bleibt abzuwarten wie sich die Verkaufszahlen der Plattform der deutschen Telekom entwickeln, wenn im Jahr 2011 auch Spielestreaming in Europa angeboten wird. Momentan haben sich die „British Communications plc“, sowie die belgische Firma „Belgacom“ die Vertriebsrechte am Dienst „Onlive“ im europäischen Raum gesichert.

Spricht denn nun ein Anschaffungspreis von 600 Euro, so z.B. für die Playstation 3 zum europäischen Verkaufsstart, automatisch für Spielestreaming? Geht man bei der Next-Gen-Konsole von einer Nutzungsdauer von vier Jahren aus, so zahlt man im selben Zeitraum knapp 700 Euro an Grundgebühren für den „Onlive“-Zugang. Demnach ist höchstwahrscheinlich mit günstigeren Spielen, zusätzlichem Content oder Exklusivveröffentlichungen auf der Streamingplattform zu rechnen. Spätestens, wenn sich „Onlive“ zum Konkurrenten des klassischen Spieleverkaufs im Handel entwickelt, würden Publisher den Dienst eher als Gefahr für ihren Absatz ansehen, meint Alex St. John, Mitbegründer von „Direct X“. (gamestar.de vom 13.04.2010) Vielleicht liegt hierin der Vorteil des Konkurrenten „Gaikai“. Hier entscheiden die Publisher, was sie auf der Plattform anbieten wollen.

Zum jetzigen Zeitpunkt bleiben demnach einige Fragen unbeantwortet. Werden sich Streamingangebote wie „Onlive“ gegen den Spieleverkauf im Handel durchsetzen können? Werden sie sich nur zu einer Ergänzung dieses Geschäftsfeldes entwickeln oder werden „Onlive“, „Gaikai“ und mögliche Nachfolger schon kurz nach ihrem Start von der Bildfläche verschwinden?

Ole Berdau

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