Der Kinderkanal als Sorgenkind


Im Juli hat das Erfurter Landgericht den ehemaligen KI.KA-Herstellungsleiter Marco K. zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt – wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Untreue.  Bei der Aufarbeitung des Millionenbetrugs durch Staatsanwaltschaft und die zuständigen Sender der ARD und ZDF sind erhebliche Lücken im System öffentlich geworden. Die ersten Konsequenzen daraus sind personeller Natur, langfristig werden allerdings strukturelle Umgestaltungen unumgänglich sein.

Eine Zahl schwebt seit Wochen durch alle Medien: 8,2 Millionen Euro. Auf diese Summe beziffert der MDR, der den Kinderkanal federführend für die ARD leitet, den Schaden durch die Betrugsfälle. Über mehrere Jahre hinweg war der Betrug durch fingierte Aufträge und Scheinrechnungen in Millionenhöhe das Alltagsgeschäft des Marco K. Zu Prozessbeginn hatte der 44-Jährige den Millionenbetrug gestanden und mit seiner Spielsucht begründet. Die durch einen Gutachter attestierte Sucht führte zu einer Strafmilderung und einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Doch damit wird beim Erfurter Kindersender vorerst noch keine Ruhe einkehren, denn die Verteidigung hat Revision eingelegt, sodass sich in nächster Instanz der Bundesgerichtshof mit dem Urteil befassen wird. Währenddessen ermittelt auch die Erfurter Staatsanwaltschaft gegen 12 weitere Personen, fünf sind ehemalige und derzeitige KI.KA-Mitarbeiter.

Die Kontrollinstanz kontrollierte sich selbst

Dabei ist nicht nur der eigentliche Betrugsfall an sich ein Skandal, sondern vielmehr die Aufklärungsversuche seitens der Verantwortlichen oder treffender: die Nicht-Aufklärungsversuche. Denn bereits im Jahr 2009 hatte es einem internen Revisionsbericht nach mehrfach Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in den Abrechnungen des Mitarbeiters gegeben, die Verantwortlichen sollen diese aber nicht ausreichend ernst genommen haben. Zudem waren die Spielsucht und der auffällige Lebensstil des Marco K. im Kollegenkreis bekannt. Diesen Hinweisen wurde nicht aktiv nachgegangen und somit hat der KI.KA es versäumt, die Aufklärung des größten Betrugsskandals eines öffentlich-rechtlichen Senders selbst in die Hand zu nehmen.

Marco K. wird nun strafrechtlich zur Verantwortung gezogen, aber für den KI.KA bleibt das eigentliche Problem ungelöst. Denn schließlich hat das Versagen der hauseigenen Kontrolle den Betrugsskandal begünstigt. Die Tatsache, dass ausgerechnet der Betrüger Marco K. beauftragt wurde, Verbesserungen im Kontrollsystem vorzunehmen, offenbart ein Versagen auf allen organisatorischen Ebenen.

Die Gebührenzahler und die mediale Öffentlichkeit verlangen eine umfangreiche Aufarbeitung. Doch statt interner Fehlersuche zeigen die ersten Reaktionen mehr als deutlich, dass niemand bereit ist, die Verantwortung für einen Skandal zu übernehmen, der offensichtlich vermeidbar gewesen wäre. Zwar kündigt der verantwortliche MDR-Intendant Reiter an, von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch zu machen und vorzeitig abzutreten – allerdings aus gesundheitlichen Gründen. Gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen dem ZDF und den Sendern der ARD wirken hilflos und auch die Ermahnungen und Kündigen verringern den öffentlichen Druck entgegen der Erwartungen nicht.

Alles auf Anfang für den KI.KA

Bereits jetzt haben die ARD-Intendanten angekündigt, den Etat des Kindersenders um eine Million Euro jährlich zu kürzen. Die Begründung ist plausibel: Wenn in den vergangen Jahren nicht aufgefallen sein soll, dass 800.000 Euro veruntreut werden, dann wird der KI.KA auch eine Etat-Kürzung von einer Million Euro verkraften können. Doch anstatt einer nachvollziehbaren Sparmaßnahme mit symbolischer Wirkung erscheint in der aktuellen Situation eine Auseinandersetzung mit der Frage angebracht, was uns ein öffentlich-rechtliches Kinderprogramm wert ist. Schließlich war der KI.KA vor dem Betrugsskandal ein öffentlich-rechtlicher Vorzeigesender, der den immer wiederkehrenden Diskussionen um die Rundfunkgebühren wenig Angriffsfläche geboten hat. Die Einsparung von einer Million Euro werde keinen Einfluss auf die Programminhalte und deren Qualität nehmen, so die Sender. Ob die Imageverluste mit Sparmaßnahmen und Schulungen zur Korruptions- und Betrugsprävention glaubwürdig wettgemacht werden können, bleibt aber abzuwarten.

Vielmehr sollte der KI.KA den Betrugsskandal zum Anlass nehmen, innerbetriebliche Strukturen neu und transparent zu gestalten. Außerdem wird an den Ereignissen der letzen Monate deutlich, dass der KI.KA sendereigene Gremien etablieren muss. Zurzeit wird der Kindersender nur nebenbei von MDR und ZDF geführt und ist in deren komplexen Senderstrukturen eingebunden. Nur mit einem Eingeständnis der Verantwortlichen, dass es nicht weitergehen kann wie bisher und anschließenden tiefgreifenden Veränderungen bleibt der KI.KA auch in Zukunft glaubwürdig und handlungsfähig.

Katharina Große-Schwiep

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