Tod und Sterben im Film und Fernsehen


Medien berichten alltäglich über Tod und Sterben. Aber wie sollten Kinder auf die grausamen Bilder in Film und Fernsehen reagieren? medienbewusst. de hat mit Dr. Achim Hackenberg gesprochen. Der Medienwissenschaftler und Pädagoge beschäftigt sich seit Jahren mit Medienwirkungen, Jugendmedienschutz und Medien im Kontext von Erziehung und Bildung sowie Film und Fernsehen in seiner ästhetischen Wirkung.

In der Realität wird über die Themen Tod und Sterben selten offen gesprochen. Im Film und Fernsehen, vor allem in Nachrichten, sind Bilder von getöteten Menschen allerdings umso alltäglicher. Würden Sie sagen, dass diese Themen durch die tägliche Medienpräsenz „verharmlost“ werden?

Ich finde es immer problematisch von „den Medien“ zu reden, denn es sind ja Menschen, die die Medien machen. Deshalb muss das eher in einem gesellschaftlichen Zusammenhang gesehen werden: Es ist ein gesellschaftliches Phänomen, das Tod und Sterben fast nur noch in den Medien aber kaum in der non-medialen Wirklichkeit stattfindet. Verharmlost oder zurückgedrängt wird dieses Thema daher nicht durch die Medien. Es ist für uns umso schwieriger, ein realistisches Konzept von Tod und Sterben zu entwickeln, wenn wir keinen Bezug zu dem Thema haben. Bilder des Todes, die wir in den Medien sehen, werden dann oft nur kognitiv und nicht emotional wahrgenommen. Das ändert sich aber sehr schnell, wenn das Thema an einen persönlich heranrückt, wenn im Bekanntenkreis Menschen sterben. Aber eine immer befürchtete Abstumpfung oder Verharmlosung sehe ich da nicht. Die Wirkung könnte vielmehr sein, dass Menschen mehr Angst bekommen, selbst betroffen zu sein, je mehr über z.B. Tod als Folge von Krieg und Verbrechen berichtet wird. Das ist für mich aber kein Verharmlosung, sondern eher das Gegenteil.

Wie verstehen Kinder die Themen Tod und Sterben?

Wir alle haben dazu ein Konzept. Es handelt sich dabei um eine binäre Logik: Tod ist die Abwesenheit von Leben. Kinder haben ein wesentlich trivialeres Konzept als Erwachsene. Je anschaulicher etwas in den Medien dargestellt wird, umso besser verstehen es Kinder in ihrer einfachen Denkweise. Bei Splatterfilmen zum Beispiel, einer Art des Horrorfilms, bei der die Darstellung von exzessiver Gewalt und Blut im Vordergrund steht, würden Erwachsene verstehen, dass dort eine Puppe und kein realer Mensch stirbt. Kinder würden Angst bekommen, weil sie den Unterschied nicht erkennen könnten und das Gesehene als anschauliche Realität wahrnehmen würden. Hier besteht eine Gefahr der Ängstigung oder Verstörung.

Ab welchem Alter können Kinder zwischen Fiktionalität und Realität unterscheiden?

Das kann ich nicht pauschal sagen. Der Unterschied zwischen Menschen ist in keiner Phase größer als in der kindlichen und jugendlichen Entwicklung. Diese Unterschiede können körperlich sein. Ein zehnjähriger Junge kann einen Kopf größer sein als ein Junge im gleichen Alter und genauso groß können die Unterschiede auch in den Fähigkeiten sein, die Umwelt wahrzunehmen. Mädchen sind in der Regel in ihrer kognitiven Entwicklung schneller als Jungs. Es kann gesagt werden, dass Kinder ab zehn Jahren ihre Umwelt auf eine komplexere Art wahrnehmen. Ab zwölf bis 14 Jahren entwickeln sie ansatzweise erwachsene Wahrnehmungskonzepte der Umwelt und auch des Todes. Entscheidend ist hier, wie viele echte Erfahrungen mit dem Thema gesammelt werden. Je näher und realer diese Erfahrungen sind, umso weniger wird die mediale Darstellung als realistisch wahrgenommen und umso komplexer sind die eigenen Konzepte von Leben, Tod und Sterben. Ist diese reale Erfahrung aber nicht möglich, können mediale Auseinandersetzungen über Tod und Sterben durchaus auch hilfreich sein, um ein für den Lebensalltag notwendiges Konzept über den Unterschied von Tod und Leben entwickeln zu können – z.B. um gewisse (Lebens-)Gefahren einschätzen aber auch um realistische Lebensplanungen vornehmen zu können.

Kinder haben sicher eine andere Art mit dem Thema umzugehen als Erwachsene. Welche Fragen stehen für sie im Vordergrund?

Kinder fragen sich bei Filmen vor allem, warum und woran Lebewesen sterben. Außerdem wollen sie auch den Unterschied zwischen Tod und Leben verstehen und lernen, wie sich die Abwesenheit von Leben äußert. Bei Erwachsenen steht der emotionale Aspekt im Vordergrund, das müssen Kinder erst noch lernen.

Was können Bilder von Tod und Sterben bei Kindern auslösen?

Das hängt stark von der Art der Darstellung ab. Sehr anschauliche, bildliche und einfache Darstellungen von Tod und Sterben können ein einschneidendes Erlebnis für Kinder sein, sowohl positiv als auch negativ. Eine grausame Form von Tötung kann für kleinere Kinder ohne Erfahrungen zu einer Überforderung oder nachhaltigen Ängstigung führen. Auf der anderen Seite haben Kinder aber auch einen Schutzmechanismus. Wenn sie etwas Brutales sehen, schauen viele auch einfach weg. Die Form der Darstellung kann einen pädagogischen Wert haben, eben weil das Thema aus der Realität ausgeklammert wird. Insofern ist es schwer sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und da kann ein Film, in dem eine Person stirbt, helfen dieses psychologische Konzept zu entwickeln. Menschen, die wissen, was es heißt zu sterben, gehen vorsichtiger mit ihrem eigenen Leben um. Das kann durchaus schon im Kindesalter passieren, aber in einer kindgerechten und pädagogischen Form, sodass es Kinder verstehen und verkraften können.

Inwiefern befürworten Sie eine kindgerechte Darstellung von Tod und Sterben im Sinne der Informationsfunktion der Medien?

Das Thema sollte nicht tabuisiert werden, auch nicht in den Nachrichten. Es gibt Kindernachrichten wie Logo, da wird erklärt, dass Menschen ums Leben gekommen sind. Kindern sollte nicht verschwiegen werden, dass Krieg und Katastrophen zu Toten führt. In Kindernachrichten wird auch ansatzweise erklärt, was Tod bedeutet, dass es ein Verlust ist und warum Menschen trauern. Die Aufgabe der Medien ist es, ein realistisches Bild der Welt zu liefern, uns zu informieren, Kindern nichts vorzuenthalten und ihnen zu zeigen, in welcher Welt sie leben.

Wie können Eltern ihren Kindern das Thema erklären?

Eltern sollten ihren Kindern nichts verschweigen, sondern offen mit dem Thema umgehen. Sie müssen die Kinder auf die Gesellschaft vorbereiten, anstatt zu versuchen, sie davor zu schützen. Dabei ist es bedeutend, in kindlichen Konzepten zu denken und ihnen auf eine kindgerechte Art zu erklären, d.h. in erster Linie möglichst anschaulich und beispielhaft zu beschreiben, was Tod für einen selbst bedeuten kann und warum z.B. auch getrauert wird bzw. was es für Angehörige heißt, wenn Menschen sterben.

Fabienne von der Eltz

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