Es waren einmal Tage, an denen es draußen früher dunkel wurde, drinnen war es wohlig warm, der Kamin knisterte, Kinder versammelten sich auf dem Fußboden und lauschten einer Stimme, die eines der bekannten Märchen vorlas. Diese oder ganz ähnliche Erinnerungen haben die meisten von uns, wenn sie gefragt werden, wie sie Aschenputtel, den Froschkönig oder Dornröschen kennen gelernt haben. Märchen sind Erzählungen, die an keinem spurlos vorüber gehen, die nicht vergessen werden und die einen stets an die eigene Kindheit erinnern. Doch was macht diese Literaturform so einzigartig, wieso ist es wichtig, diese stets an die nächste Generation weiter zu geben und verfügen sie über einen solchen Aktualitätsgrad, dass sie es auf die heutigen Kinoleinwände schaffen?
Die Geschichte der Märchen geht weit in die Vergangenheit zurück und findet ihren Ursprung im Orient, von wo es in die weite Welt getragen wurde. Als Bestandteil der epischen Dichtung fand es seinen Weg auch nach Deutschland, wo Anfang des 19. Jahrhunderts die ersten Sammlungen von Brentano und den Gebrüder Grimm erschienen. Heutzutage sind zwei große Märchengattungen bekannt: das Volksmärchen und das Kunstmärchen.
Ersteres zeichnet sich dadurch aus, dass der Autor meist unbekannt ist, da es hauptsächlich vom Volk mündlich überliefert wurde. In Folge dessen wandelte sich stets der Inhalt der Erzählung. Typischerweise sind sie kurz gefasst und für jedermann leicht verständlich. Ohne komplexere Strukturen werden hier bildhaft fantasievolle Dinge beschrieben. Das Kunstmärchen stammt aus der Zeit der Romantik und geht auf einen bestimmten Verfasser zurück, der oft die Inhalte des Volksmärchens übernimmt, diese jedoch mit einige Stilmitteln und geschichtlichen Hintergründen gestaltet. Darüber hinaus kennzeichnend ist, dass sie meist über eine im Text verstecke Moral verfügen.
Zunächst waren Märchen eher für Erwachsene als für Kinder bestimmt, doch nach und nach entwickelten sie sich zu einer nie da gewesenen Literaturform mit Aufklärungscharakter. Besonders wichtig hierbei ist, dass sie leicht zugänglich verfasst werden und am besten noch über eine Identifikationsperson verfügen. Die Kinderfreundlichkeit wird durch eine auffällige Bildsprache erlangt. In fast jedem Märchen sind ähnliche Motive zu finden: so steht beispielsweise der Wald für das Geheimnisvolle und Verbotene. In ihm wird sich oft verlaufen und es spielen sich daraus resultierend dramatische Handlungen ab. Der König, der das Reich regiert, wird oft als Ziel für die eigene Entwicklung gesehen, sodass durch die handelnden Akteure versucht wird, ebenfalls Ansehen, Reichtum und Respekt zu erreichen. Ähnlich wird die Figur der hübschen Königstochter verstanden, welche der Held, nachdem er verschiedene Gefahren gemeistert hat, befreien und heiraten wird. Über dies gibt es noch eine Reihe weiterer Motive und Symbole, die in keinem Märchen fehlen dürfen. Abgesehen davon ist allen gemeinsam, dass die Figuren durch eine Eindimensionalität geprägt sind und entweder das Gute oder das Böse verkörpern. Dadurch wird die strikte Trennung der verwendeten Begriffe gefestigt und eine intuitive Interpretation ermöglicht. Somit können Märchen als eine Art Lebensanleitung verstanden werden und da sie meistens sowohl zeit- als auch ortsungebunden sind, überdauern diese Leitfäden viel Jahrhunderte und überqueren sämtliche Landesgrenzen.
Auch aus diesem Grund erhalten die Erzählungen bis heute Einzug in die Kinderzimmer. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass sich das Erleben von Märchen nicht mehr alleine auf das Erzählen oder Lesen beschränkt, sondern vielmehr auf den Fernseher- beziehungsweise mittlerweile auch auf den Computerbildschirm. Während so gut wie jedes Märchen inzwischen verfilmt wurde, ist es auffällig, dass es die wenigsten Filme auf die heutigen Kinoleinwände schaffen, obwohl sie auf Grund ihrer Zeitlosigkeit stets über aktuelle Inhalte verfügen. Bei der Frage, woran dies liegt, können nur Vermutungen aufgestellt werden: Wird ein Blick in die Vergangenheit geworfen, so kann festgehalten werden, dass es durchaus ein paar Märchen in die Kinosäle geschafft haben. So fuhr Walt Disney mit seiner Neuverfilmung des 1937 erschienenen Schneewittchen und die sieben Zwerge in den 90er Jahren ebenso gute Verkaufszahlen ein, wie mit Cinderella (die englische Version von Aschenputtel). Dass es eher selten Neuproduktionen der bereits bestehenden Filme gibt, könnte darin begründet werden, dass das Bild, welches die Kinder von den verschiedenen Charakteren haben, nicht erneut verändert werden soll. Außerdem gehören Märchen beinahe zur Allgemeinbildung, sodass es wenig reizvoll sein könnte, derartige Thematiken, erneut zu verfilmen beziehungsweise erneut zu betrachten.
Das Argument, dass Märchen schließlich so bildhaft geschrieben sind, dass es keiner Verfilmung bedarf, sondern lediglich die Phantasie gefördert werden soll, ist nicht schlüssig, da es etliche Filme gibt, die im Fernsehen zu sehen sind. Warum Märchen also nur selten Einzug in die Kinowelt erhalten, scheint klar:
Die Besonderheit der Literaturform lässt sich nicht so einfach umsetzen und wenn es die russischen, tschechischen und deutschen Märchenfilme bereits ins Fernsehen und auf DVD geschafft haben – warum sollte das Kino dann noch einmal damit aufwarten? Am Ende steht also nur soviel fest, dass Märchen nach wie vor in vielen Medien präsent sind (jedoch seltener im Kino) und sofern sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute.
Britta Duling
Quellen:
http://www.deutschonline.de/Deutsch/Grimm/Einfuehrung.htm
http://www.gymnasium-meschede.de/projekte/projekt12-04/maerchenformen.htm
http://www.paedagoklick.de/pdf/Maerchen_Theorie.pdf