Der 1943 geborene Jürgen Kluckert synchronisiert seit der 80. Folge die bei Kindern so beliebte Figur Benjamin Blümchen. Er ließ sich an der Ernst-Busch Schule in Berlin ausbilden und spricht heute auch Rollen wie Mr. Krabs aus „SpongeBob Schwammkopf“ oder Earl Sinclair aus „Die Dinos“ und leiht Morgan Freeman und Chuck Norris seine Stimme. In diesem Interview erzählt er, wie er zu diesem Beruf kam, wie er mit dem Phänomen Benjamin Blümchen zu Recht kommt und wie seine Kinder mit der täglichen Medienflut umgehen.
Synchronsprecher ist ja kein gewöhnlicher Berufswunsch, wie kamen Sie dazu?
Entweder wird man Synchronsprecher, wenn man als Kind schon damit angefangen hat und nichts anderes kennenlernt. Oder aber man ist Schauspieler und macht es nebenbei, wenn man es kann. Ich persönlich habe neben der Tätigkeit als Schauspieler schon damals in der DDR synchronisiert. Später wurde es dann mein Hauptberuf, als ich dann etwa ab 1979 in Westberlin war.
Bemerken Sie einen Unterschied zu Ihren Synchronsprecherarbeiten in der DDR und jetzt?
Ich habe eine ganze Menge synchronisiert in der DDR. Wir haben damals sehr viele russische Filme gemacht. Die waren manchmal weiter, besser und offener im Denken als die DDR. Meist war es so, dass die Dramaturgen immer dazwischen waren. Die gab es im Synchron auch – nicht Redakteure, sondern Dramaturgen – und die haben nachgeprüft. Oft wurde der Text nicht original übersetzt, sondern es wurde ein neuer Text gemacht. Und wir haben es oft nicht gemerkt, da wir der russischen Sprache nicht so wahnsinnig mächtig waren, obwohl wir sie lernen mussten. Wir haben uns manchmal gewundert, wenn wir eine große Rolle hatten, dass die Geschichte auch hätte anders sein können. Aber wir haben es selber ja nicht immer gemerkt. Es gab Vorgaben, was nicht gesagt werden darf.
Werden Sie aufgrund Ihrer Stimme von fremden Menschen erkannt oder angesprochen?
Also [lacht]: Ich werde nicht erkannt, nein. Wenn ich Hörbücher mache, ist man nach acht Stunden Sprechen ein bisschen ausgelaugt und da lass ich mich immer mit dem Taxi nach Hause fahren. Manchmal fragt mich ein Taxifahrer dann, wenn er mich von einem Studio abholt: „Ach, was wird denn in dem gemacht?“ und dann sag ich ihm das und dann sagt er „Ja, Ihre Stimme kommt mir auch sehr bekannt vor.“ Aber, ob das einfach nur erfunden ist, weiß ich nicht.
Sie lassen sich dann auch nicht zu einem „Benjamin-Blümchen-TÖRÖÖÖÖ“ hinreißen?
Nein. Das mache ich nur für Geld [lacht].
Wurde Ihnen die Rolle des Benjamin Blümchens angeboten oder haben Sie sich beworben?
Die wurde mir angeboten, das hat sich aber nur ergeben. Als Edgar Ott [Anm. d. Red.: der erste Synchronsprecher von Benjamin Blümchen] gestorben ist, habe ich seine Werbung für Ferrero weiter gemacht. Die Leute haben gleich eine Ähnlichkeit festgestellt. Der Regisseur von den „Dinos“, die auch gerade von Edgar Ott angesprochen wurden [Anm. d. Red.: die Rolle des Earl Sinclairs], kannte mich sehr gut und er sagte: „Du musst hier weitermachen.“ Das habe ich gemacht und da ist natürlich dann auch die Firma „Kiddinx“, damals hieß sie ja glaube ich noch „Hör und Lies“, darauf gekommen. Und dann bin ich dort hingegangen und wurde gecastet.
Haben Ihre Kinder auch Benjamin Blümchen gehört?
Die mussten [lacht]. Es war natürlich abends immer so: „Papa, lies mir eine Geschichte vor.“ Das habe ich auch gemacht. Aber irgendwann habe ich gesagt: „Wisst ihr, da gibt’s etwas für euch.“ Ich habe ja auch elf Platten mit Gute-Nacht-Liedern aufgenommen, die ich besonders schön finde. Ich habe ihnen das vorgespielt und da waren sie zufrieden. Papa singt und die Musik ist auch toll, das Orchester ist da, also alles prima!
Und Sie? Hören Sie manchmal Benjamin Blümchen Hörspiele?
Ich höre mir nicht so gern meine eigenen Sachen an, was aber nicht an der Figur Benjamin Blümchen liegt. Meine Frau ist da aktiver und hört alle Hörbücher und alle Hörspiele, auch was ich schon seit Jahren mache: Gabriel Burns. Das ist das genaue Gegenteil von Benjamin Blümchen, das sind Horror-Geschichten und ich bin der Erzähler dort.
Liegt es daran, dass sie Ihre Stimme selber nicht gern hören?
Das war früher so, ja. Jetzt ist das aber normal. Man weiß es ja und wenn ich mich jedes Mal wundern sollte und wollte, könnte ich den Beruf ja nicht mehr machen [lacht]. Es gab so eine Zeit, da habe ich den Fernseher angemacht und da bin ich auf jedem Sender gewesen – da kann man ja nur ausmachen. Ich höre mich nicht sehr gerne. Dann merke ich immer, was ich hätte besser machen können. Das ist für mich kein Genuss.
Nun zurück zur Benjamin: Was denken Sie, ist der Grund, dass für Kinder „der große Graue“ der Held der Geschichte ist und nicht etwa sein Freund Otto?
Ich kann nicht ganz nachvollziehen, was Elfie Donnelly sich damals überlegt hat, als sie Benjamin Blümchen erfunden hat. Aber auf jeden Fall wollte sie eine Tierfigur, wie man sie überall findet. Und natürlich kann man einen Elefanten, der ja auch noch im Zoo ist, ohne einen Zweiten nicht lassen. Was soll der auch ganz allein machen? Da denke ich mal, musste noch ein Kind her. Die Figur, in die man sich verliebt, ist aber nicht das Kind, sondern das Kuscheltier.
Die Kinder, für die wir das machen, sind zwei bis sieben Jahre alt. Da müssen wir uns auch mal überlegen, wie weit die schon sind oder noch nicht. Benjamin muss natürlich die Fragen stellen, damit die Kinder lernen, dass sie auch Fragen stellen sollen. Otto hingegen stellt keine Fragen, nein, er weiß es schon. Da können Kinder sich orientieren und sagen: „Ha! Wenn ich erstmal so alt bin, wie Otto, dann weiß ich das auch.“
Was halten Sie von der wissenschaftlich untersuchten These, dass Benjamin Blümchen politisch beeinflussen würde?
Strohmeyer, der das damals geschrieben hat, wollte sich, aus welchem Grund auch immer, einen Namen machen. Ich kannte das auch schon, das wurde mir sofort hergeschickt. Aber: Schauen Sie sich doch die Grimms Märchen oder die anderen Geschichten an, da wird der König oft dumm hingestellt, der Prinz wird als ein Dussel betitelt, die Räte werden in den Märchen oft wie blöde präsentiert. Meist verlieren sie ja dann auch und der gute Hans, der Dumme, gewinnt. Und das sind doch aber genau dieselben Verfahrensmuster, das ist doch nichts Neues. Das ist seit tausenden von Jahren ein Märchenprinzip. Ist es denn schlimm, wenn wir unsere Kinder dazu erziehen, aufzupassen bei Politikern?
Also ist es das alte Märchenprinzip ein bisschen moderner gestaltet?
Richtig, und dabei ist Benjamin Blümchen ja nicht mal richtig modern. Das sind Geschichten, die man sich gerne anhört und ich glaube nicht, dass wir politisieren, weil wir dann mal über den einen lachen. Das wurde immer gemacht in solchen Geschichten.
Sie synchronisieren außerdem den Mr. Krabs aus „SpongeBob Schwammkopf“ und Earl Sinclair aus „Die Dinos“. Kommen Sie mit den verschiedenen Rollen nicht manchmal durcheinander?
Nein, überhaupt nicht. Noch dazu habe ich ja bei SpongeBob ein wahnsinniges Glück. Die Originalstimme klingt fast genau so wie ich oder umgekehrt, ich klinge fast genau so wie er. Ich höre den und dann mache ich das. Da brauche ich gar nicht zu überlegen; das ist zum Glück die Routine, das geht ganz einfach.
Sie können gezielt auswählen, doch wie haben Sie Ihren Kindern das Selektieren der vielfältigen Medienangebote beigebracht?
Was diese Sachen angeht, waren meine Frau und ich nicht faul. Über die bestehende Medienflut muss man sich nicht aufregen und verhindern oder ändern kann man sie ja sowieso nicht. Dass wir aber als Eltern vielleicht rege werden und sagen: „Das scheint mir ein Kriegsspiel zu sein, das scheint mir ein böses Spiel zu sein“, das finde ich, da sollten Eltern ein bisschen aussuchen. Und das kann man! Mein Großer, der 17-Jährige, hat nur ein einziges Spiel, das ein bisschen gewalttätig ist. Aber alle anderen Sachen sind keine „bösen“ Geschichten.
Medienbewusst.de bedankt sich für das Interview und wünscht weiterhin viel Erfolg.
Eileen Florian
Bildquelle:
http://www.juergenkluckert.de/fe25f6f0-eee4-42ea-b7e0-7cefeba2ec86.html?1233610469286