„Akzeptanz und Nachvollziehbarkeit des Jugendschutzes im Bereich Video- und Computerspiele könnten durch eine konsistentere und transparentere Praxis verbessert werden.“ So lautet das Fazit einer im Juni 2007 veröffentlichten Studie des Hans-Bredow-Institutes. Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) hatte die Studie in Auftrag gegeben, um zu untersuchen, wie effektiv der Jugendschutz im Bereich Video- und Computerspiele wirklich ist. Ein Vorschlag des Hamburger Instituts für eine höhere Akzeptanz der Alterskennzeichnung von Computer- und Videospielen, ist die transparentere Gestaltung der Arbeit und Bewertungskriterien der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) sowie der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM).
Jugendmedienschutz seit 2003 verbessert
Generell fällt das Urteil der Studie über das momentane Jugendschutzsystem positiv aus. Aufgrund der Gesetzesreform von 2003 wurden die Rahmenbedingungen für einen wirksamen Jugendmedienschutz im Bereich der Video- und Computerspiele entscheidend verbessert. Überwiegend richtet sich die Kritik an die Nachvollziehbarkeit der Alterskennzeichnungen, der Gutachten und der Kooperation zwischen Industrie und staatlichen Behörden. Bezüglich der Indizierung sollte die Zusammenarbeit zwischen USK und BPjM noch systematischer verlaufen, sodass die von beiden Institutionen verwendeten Kriterien besser aufeinander abgestimmt werden können.
Alterskennzeichung auf der Spieleverpackung
Der Kritikpunkt Alterskennzeichung bezieht sich unter anderem auf die Spieleverpackung. Für den Käufer sei nicht immer ersichtlich, wer die Einstufung vergibt und welche rechtliche Verbindlichkeit sie habe. Das Nebeneinander verschiedener, häufig unauffällig gestalteter Alterskennzeichen und -empfehlungen erwecken in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass im Jugendmedienschutz gewisse Beliebligkeiten bestehen. Der Aufdruck der Pan-European Game Information (PEGI)-Einstufung sorge für Verwirrung, da das europäische Rating oft niedrigere Altersempfehlungen als das USK-Siegel vergibt. Des Weiteren fehle es an einer zentralen Anlaufstelle, an welcher ein Überblick der Kontrollmöglichkeiten geboten würde. Fragen bezüglich der Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben und das Verfahren bei Verstößen könnten hier geklärt werden. Eine verstärkte Kooperation zwischen den Beteiligten, eine klar strukturierte Aufgabenverteilung sowie mehr Transparenz bei den staatlichen Stellen wären wünschenswert, heißt es in dem Bericht.
Totalverbot bestimmter Spielgenre abgelehnt
Die Forderungen nach einer Ausweitung des Anwendungsbereichs des §131 StGB werden in der Studie abgelehnt. Dem Verbot bestimmter Spielgenre sei weiterhin verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Der Paragraph sei bereits jetzt auf Computer- und Videospiele anwendbar: “Ein Totalverbot würde auch erwachsenen Nutzerinnen und Nutzern die Inhalte vorenthalten und in die Rechte der Hersteller eingreifen. Auch Spiele sind nach Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützte Kommunikationsinhalte“, so die Ansicht des Hans-Bredow-Instituts.
Computer- und Videospielemarkt und Nutzerverhalten der User
Der Bericht, der gemeinsam von Juristen und Sozialwissenschaftlern des Instituts im Austausch mit den beteiligten Institutionen erarbeitet wurde, geht nicht nur auf die Wirksamkeit des Jugendmedienschutzes in Deutschland ein, sondern auch den Computer- und Videospiele-Markt allgemein. Zudem liefert die Studie aktuelle Daten zum Nutzerverhalten von Kindern und Jugendlichen, einen Überblick der bisherigen Ergebnisse der Medienwirkungsforschung sowie eine Darstellung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen. Darüber hinaus werden die Verbreitungswege der Spiele in Deutschland aufgezeigt. Die Möglichkeiten, an diese Spiele zu gelangen, sind vielfältig und frei nach dem Motto: Wenn man dran will, kommt man dran.
Neben zahlreichen Download-Möglichkeiten im Internet, werden die Spiele als gebrannte Kopien im Freundeskreis getauscht oder stehen als Geschenk auf der Wunschliste für Familie und Verwandte. Auf LAN-Partys findet ein munterer Austausch von Spielen statt, wobei Altersvorgaben ignoriert werden; Jugendliche berichten von Käufen in Geschäften, in denen die Händler nicht nach dem Ausweis gefragt hätten – all diese Situation sind heutzutage keine Seltenheit. Allgemein ist bei den Jugendlichen hinsichtlich Downloads und Brennen kein Unrechtsbewusstsein festzustellen, wenn sie sich Spiele, kostengünstig und oftmals auch illegal beschaffen, die nicht für ihr Alter geeignet sind. Eben jene Spiele mit einer hohen Alterskennzeichnung wirken besonders attraktiv und spannend auf die jugendlichen Spieler. Die Aussagen sind insgesamt mit Vorsicht zu interpretieren und lassen keine allgemein gültigen Schlussfolgerungen über die Effektivität der bestehenden Jugendschutzmaßnahmen zu. Daher empfehlen die Forscher auch eine sachlicheren und wissenschaftlich fundierten Dialog zur Förderung eines transparenten Jugendmedienschutzes, den Eltern, Kindern und Jugendliche nachvollziehen und akzeptieren können.
USK-System und seine Kriterien bei der Spieleprüfung
Systeme der Kooperation von staatlicher und nicht-staatlicher Regulierung sind im Jugendmedienschutz leistungsfähig. Es sollte aber auf eine klare Kompetenzzuordnung geachtet werden. Eine Verbesserung des USK-Systems im Hinblick auf transparente Verantwortungsstrukturen erscheint nach den Ergebnissen der Studie sinnvoll. Der Jugendmedienschutz stützt sich vorwiegend auf Verfahren sachverständiger Gremien und lässt sich nicht von Kriterienkatalogen beeinträchtigen. Das Prüfungsverfahren müsse jedoch klarer ausgearbeitet werden, da sich die Gutachten der USK strukturell und qualitativ unterscheiden, was eine Interpretation erschwert.
Inhaltlich stimmen die derzeit angewandten Kriterien der USK mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Wirkung von Computer und Videospielen überein. Das Themengebiet Gewalt sowie Sucht- und Angstpotential solle mit eingebunden werden, rät das Hamburger Institut. Bei der Prüfung der Spiele hinsichtlich der Kriterien wird dem Spieletester eine bedeutende Rolle zugesprochen. Die Anzahl der zu prüfenden Spiele ist gestiegen und lässt vermuten, dass die Kapazität der Spieletester ihr Limit erreicht habe. Erstaunlich hierbei ist aber, dass den Spieletestern eine zentrale Funktion zu teil wird, da oftmals nur sie ein Spiel komplett durchgespielt haben und dem Gremium zur Entscheidung über die Indizierung präsentieren.
Außerdem erweist sich die Indizierung wirksame Möglichkeit des Jugendschutzes, da sie das Spiel am Markt durch Werbe- und Ausstellungsverbote überwiegend „unsichtbar“ macht, ohne den Zugang zu versperren. Da sich aber die Indizierungsverfahren über einen längeren Zeitraum hinziehen, besteht die Gefahr, dass bereits ein großer Teil eines Spieles verkauft wurde. Mit vorläufigen Anordnungen könne dieser Entwicklung entgegengehalten werden.
Neue Trägerschaft der USK
Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) hatte Ende Juni 2008 bereits eine Umstrukturierung der USK angekündigt. Bislang war der Förderverein für Jugend und Sozialarbeit Träger der für Computer- und Videospiel-Einstufungen zuständigen USK. Dieser wurde jedoch vom BIU und dem, Bundesverband der Entwickler von Computerspielen e.V. (G.A.M.E.) abgelöst. Als neuer Träger fungiert nun die neu ins Leben gerufene Freiwillige Selbstkontrolle Unterhaltungssoftware GmbH. Das neue Modell nimmt sich die Struktur der Filmwirtschaft zum Vorbild und der dort zuständigen FSK. Die Übergabe der Trägerschaft sei als erster Schritt der Neustrukturierung der freiwilligen Selbstkontrolle für Computer- und Videospiele anzusehen. Dadurch werde sich mehr Transparenz bei der Vergabe der Alterskennzeichnungen versprochen, die von Eltern und Pädagogen besser nachvollzogen und akzeptiert würden. Letztendlich liegt es am Familienministerium sowie den für den Jugendmedienschutz zuständigen Ländern, die Empfehlungen und Analysen des Hans-Bredow-Institutes umzusetzen um gemeinsam zu einer Verbesserung des Jugendmedienschutzes beizutragen.
Charlotte Mannheim
Quellen:
http://www.usk.de