Stefan Müller, ursprünglich Experte für Softwareentwicklung, ist Mitinitiator eines der ersten Internetangebote für Kinder. Er stellte 1997 die Plattform für das Pionierprojekt „Blinde Kuh“ und widmet sich ihr seit 2004 hauptberuflich. Im Jahr 2004 stand die Seite kurz vor dem Aus, wenn sich das Bundesfamilienministerium nicht der Förderung der Suchmaschine angenommen hätte. Seitdem stellt sie einen gemeinnütziger Verein zur Förderung, Vernetzung und Bereicherung der unabhängigen und nicht kommerziellen Internet-Kultur der “Onliner” unter 14 Jahren dar.
Herr Müller, wie steht es denn derzeit um die Suchmaschine?
Die Förderung durch das Bundesfamilienministerium erfolgt noch bis Ende Juli 2010 und dann werden wir sehen, was die Zukunft bringt. Uns liegt natürlich sehr daran, dass wir auch weiterhin unterstützt werden, aber damals hatten wir den Vorteil, dass die Blinde Kuh die einzige Suchmaschine für Kinder war.
Was macht Ihrer Meinung nach ein gutes Internet-Angebot für Kinder aus?
Das lässt sich kurz und knapp beantworten. Gute Angebote für Kinder sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die richtige Zielgruppe ansprechen und somit letztendlich auch von Kindern genutzt werden. Das pädagogische Ziel dahinter muss natürlich unbedingt dabei berücksichtigt werden, jedoch sollte das Kind im Zentrum entsprechender Angebote stehen.
Bunte Bilder und Werbeversprechen werden normalerweise als Kommerzialisierung angesehen, wovon Sie sich als Mitinitiator des Projektes distanzieren möchten. Aber auf der anderen Seite sind gerade ehrenamtlichen Engagements auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Wie, glauben Sie, ist diese Balance am Besten zu realisieren?
Klickgeneratoren und sogenannte „Paid-Links“, wie sie beispielsweise bei Google Anwendung finden, würden Kinder-Portalen zweckentfremden. Wenn wir für unsere Suchmaschine ein Banner finanzieren würden, widerspräche das grundlegend dem Prinzip einer Suchmaschine, da man immer eine bestimmte Anzahl von Usern hat und der kommerzielle Reingewinn damit gleich Null wäre. Der Nutzwert solcher Aktionen liegt einzig und allein in der Geldmacherei. Wir versuchen eher mit Inhalten zu überzeugen, da für uns der Sinn des Ganzen im Vordergrund steht.
Worin sehen Sie das „Herzstück“ der „Blinden Kuh“ bzw. worauf legen Sie den Schwerpunkt?
Momentan besteht in der Suchmaschine ein zentraler Schwerpunkt, bedingt durch die Förderung. Zukünftig wird der Fokus aber wieder verstärkt auf Vernetzung in den Bereichen Spiele, Nachrichten und andere Seiten gelegt. Wir weiten sozusagen den Hauptgegenstand „Suchmaschine“ aus und erweitern zusätzlich unsere Themenbreite. Wir wollen eine Art Vernetzungsinstanz sein, innerhalb welcher beispielsweise Spiele oder Nachrichten aller Kinderseiten miteinander vernetzt sind. Ein Schwerpunkt grundsätzlicher Natur besteht darin, dass wir versuchen, „echtes Internet“ zu gewährleisten. Das bedeutet, dass auch die Seiten gefunden werden sollen, die das Interesse der Kinder wecken, ob nun „Tokio Hotel“ oder die „No Angels“. Das bedeutet aber keine Freikarte in die „Erwachsenenwelt“. Unser Klientel ist im Schnitt 12 Jahre alt und befindet sich somit in der beginnenden Pubertät, genau darum können und wollen wir auch keinen „Kindergarten“ aufbauen.
Wie darf man sich den Arbeitsalltag bei Kinderportalen vorstellen?
Der Arbeitsalltag ist sehr verschieden und saisonabhängig. Gerade sind wir alle ziemlich im Stress und u.a. dabei, Links mit Weihnachtsbezug zu präsentieren. Zudem müssen natürlich permanent alle verschiedenen Server gesichert und ungeeignete entfernt werden.
Wie stehen Sie der Regulierung des Netzes, beispielsweise durch Filtersysteme oder Sperren ganzer Seiten, gegenüber?
Zunächst ganz eindeutig positiv. Auch wenn unsere User allmählich Interesse am anderen Geschlecht entwickeln, nehmen wir Erotikseiten erst gar nicht in die Suchmaschine auf. Unsere Redaktionsmitarbeiter fungieren sozusagen als menschliche Filtersysteme, indem sie darüber entscheiden, was grenzwertig ist. Zwar besteht genau hier wieder die Gefahr einer „Kindergarten-Vernetzung“, aber wir sind im Sinne der Verantwortung gegenüber Eltern und Kindern gezwungen, Position zu beziehen Die „Tattoo-Girls“ sind beispielsweise so ein Grenzfall und dann heißt es abwägen zwischen dem Zulassen solcher Grauzonen oder sicherem Userverlust.
Ist Ihnen bei Ihrer Arbeit mal so etwas wie ein „Fauxpas“ passiert – technischen oder redaktionellen Inhaltes – über den Sie heute nur noch lachen können?
Ja, und zwar wenn man so will, die Bewilligung des Antrags auf Förderung, den wir beim Bund gestellt haben. Das mag jetzt paradox klingen, aber wir haben damals nie im Leben mit einer Zusage gerechnet. Man könnte beinahe sagen, im selben Maß, wie wir uns darüber gefreut haben, waren wir auch überfordert damit, zumindest anfänglich.
Wir standen kurz davor, die „Blinde Kuh“ aufzugeben, so sehr es uns auch weh getan hätte, aber wir hatten einfach das Gefühl, nichts bewegen zu können. Plötzlich waren wir natürlich gezwungen, entsprechend zu reagieren und Stellen zu besetzen, um das Ganze zu professionalisieren. Für mich bedeutete das zugleich, dass ich meine Stelle als Software-Entwickler beim Norddeutschen Rundfunk kündigen musste, um mich der „Blinden Kuh“ mit vollem Einsatz widmen zu können.
Fällt Ihnen im Gegenzug spontan ein Ereignis ein, an welches Sie sich gerne zurückerinnern?
Der „Grimme-Online-Award“ war eindeutig ein Highlight für mich und nicht nur, weil es ein solches Projekt sehr aufwertet. Wir waren schon mehrmals nominiert und 2006 wurden wir dann schließlich prämiert. Was wir uns damals als „naive Eltern“ einmal ausgedacht haben, fand also doch entsprechende Würdigung und viel mehr Feedback, als wir glaubten.
Was glauben Sie, bringt die Zukunft für die Online-Angebote der Kinder und was würden Sie sich diesbezüglich wünschen?
Ich bin heilfroh über die heutige Situation von Kinder-Internetangeboten, verglichen mit der vor zehn Jahren. Damit meine ich, dass es tolle Angebote gibt, die letztendlich auch Kinder erreichen und dass diese soviel „Kraft“ haben, zu bestehen, teilweise auch ohne Förderung. Ich wünsche mir, dass die Initiative „Ein Netz für Kinder“ im Hinblick auf Jugendmedienschutz und Kindermedienkompetenz in Zukunft noch weiter ausgebaut wird.
medienbewusst.de bedankt sich bei Stefan Müller für das Interview und wünscht “Blinde Kuh” weiterhin viel Erfolg.
Katja Abel
Bildquelle:
zur Verfügung gestellt v. Stefan Müller