Kati Struckmeyer arbeitet beim JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis und koordiniert dort das kreative Projekt „Ohrenblick mal!“. Dabei handelt es sich um einen Handyclipwettbewerb speziell für Jugendliche, die Kurzfilme mit Handykameras drehen und auf www.ohrenblick.de veröffentlichen können. Wer meint, Handyfilme könnten wegen verwackelter Kameraoptik und rauschendem Ton keine Kunstwerke werden, ist auf dem Holzweg: Die Filme beeindrucken nicht nur durch originelle Ideen, sondern auch durch besondere Perspektiven und den gezielten Einsatz der speziellen Ästhetik von Handykameras. Somit spielt die Technik nur eine Nebenrolle. Letztes Jahr lautete das Motto des Wettbewerbs „Nah dran“. Im Gespräch erlaubte die Medienpädagogin medienbewusst.de einen Blick hinter die Handyfilmkulissen.
Frau Struckmeyer, was genau sind Ihre Aufgaben bei „Ohrenblick mal!“?
Im Rahmen des Projektes betreiben wir vom JFF zum Beispiel Fortbildungsprogramme, Elternabende und vor allem medienpädagogische Projekte an Schulen und Jugendeinrichtungen. Dabei geht es neben den zahlreichen Potenzialen des Handys auch darum, über mit dem Handy verbundene Probleme zu informieren und Jugendlichen und ihren Bezugspersonen eine Anlaufstelle für ihre Fragen zu bieten: also beispielsweise zu den Themen Strahlung und Kostenfallen, jugendgefährdende Inhalte und vielem mehr. Dabei betreiben wir keine Zeigefinger-Pädagogik, sondern reden gemeinsam mit den Jugendlichen über Probleme und mögliche Lösungen.
Was begeistert Sie besonders an „Ohrenblick mal!”?
Handyprojekte sind eine sehr praktische Sache: Man braucht nicht viel Equipment, da fast alle Jugendlichen Handys haben. Dort kann man ansetzen und sein eigenes Wissen einbringen. Das Medium „Handyfilm“ entwickelt sich ja auch erst. Dieses Gebiet ist für mich besonders spannend, da es direkt an der Lebenswelt der Jugendlichen ansetzt.
Und bei denen kommt das Ganze auch gut an.
Ja! Es ist nicht so, dass man die Jugendlichen zu einem Handyprojekt erst überzeugen müsste, im Gegenteil: Sie filmen sowieso viel und gerne und wir zeigen ihnen zusätzlich, wie man das Material z.B. noch vertont und schneidet – da kommt natürlich Begeisterung auf.
Sie helfen den Jugendlichen also bei der Produktion?
Ja, wir arbeiten z.B. mit Schulklassen, in denen ungefähr 25 Jugendliche sind. Da nehmen wir uns zunächst in vier kleineren Gruppen Zeit für die Idee, für ein Storyboard und dann können sie auch schon losfilmen. Dabei sind die Schüler relativ eigenständig. Danach kommen sie zurück, das Ganze wird auf den Computer übertragen und mit einem Schnittprogramm bearbeitet. Vorspann, Nachspann, Vertonung – das alles passiert im nachhinein, es ist nicht so, dass sie den kompletten Clip auf Anhieb perfekt filmen. Bis der Film fertig ist, braucht es meist länger, als man denkt, insgesamt sind wir meist zwei Vormittage in einer Klasse, wobei da der theoretische Input samt Diskussion auch dazu gehören. Der Wettbewerb läuft deutschlandweit und speist sich sowohl aus unseren Workshops, als auch aus freien Einreichungen und Projekten unserer Kooperationspartner Etwa 130 Clips bekamen wir letztes Jahr.
Tendenz steigend?
Ja, es werden jedes Jahr immer mehr.
Ihr Projekt gibt es seit 2005. Wer hatte denn die Idee dafür?
Die kam hier im Institut gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern bei „Ohrenblick mal!“ – Jugend online und LizzyNet – auf: Damals gab es ja diese deutschlandweite Diskussion über „Happy Slapping“, also über Handyfilme mit gewalttätigem Inhalt. In Bayern hatte das ernste Folgen – ein gesetzlich verankertes Handyverbot an Schulen. Wir sahen in diesem Verbot aber keine Lösung, letztlich verlagert sich damit nur das Problem aus der Schule heraus. Es ist darüber hinaus eine allgemeine Gewaltdiskussion nötig. Die können wir natürlich auch nicht in den zwei Tagen unserer Workshops leisten, aber die Jugendlichen zumindest informieren und Denkanstöße liefern. Es geht uns vor allem darum, aktive Medienarbeit zu leisten und zu zeigen, dass auch besondere Filme mit anspruchsvollen Inhalten auf Handys entstehen können, die eine Alternative zu gewalthaltigen Filmen darstellen.
Wie erfolgreich sehen Sie das Projekt als Gegenpol zu „Happy Slapping“?
Was ich persönlich bei den Jugendlichen bemerke, ist, dass sie es sehr schätzen, beim Workshop mit ihren Interessen ernst genommen zu werden. Die Handys werden nicht beschlagnahmt, sondern die Jugendlichen werden statt dessen sogar aufgefordert, damit zu arbeiten.
Allgemein müsste man in diesem Feld aber noch viel mehr schulisch und außerschulisch zusammenarbeiten. Wir können letztlich auch nur einen kleinen Beitrag leisten. Das gilt auch für die Informationsveranstaltungen für Eltern und PädagogInnen. Viele Eltern wissen gar nicht, was „Happy Slapping“ ist, die Filme entstehen ja fernab vom Elternhaus.
Bekommen Sie auch merkwürdige oder skurrile Beiträge für den Wettbewerb zugesendet?
Nein, aber es gibt eine Menge an Themen. Wir merken das in den Workshops, es kommen ganz unterschiedliche Ideen. Das ergibt sich auch schon aus der Aufnahmetechnik: Die Handykamera ist klein, man kann aus vielen verschiedenen Perspektiven aufnehmen. Die Filme, die das besonders gut umsetzen, haben dann gute Chancen, auch preisgekrönt zu werden.
Die Projektbetreiber organisieren auch die Preisverleihung für Ihren Wettbewerb „Ohrenblick mal!“. Wie setzt sich die Jury zusammen?
Die Jury setzt sich jedes Jahr etwas anders zusammen. Immer mit dabei sind Vertreter der Organisatoren – also vom JFF, von Jugend online und von LizzyNet – und Vertreter des Sponsors, also von o2. Außerdem gibt es in der Jury auch immer Jugendliche sowie Vertreter aus der Filmszene.
Nach welchen Kriterien werden die Gewinnerclips ausgesucht?
Es geht um Inhalt und Form. Klassischerweise bedeutet „Inhalt“: Wie gut wurde das Thema umgesetzt? Bei der „Form“ dreht es sich um die Handykamera-Ästhetik – wie gut wurde gedreht? Ist eine Botschaft im Clip enthalten? Gibt es eine Pointe?
Welche Preise erwarten die Gewinner?
Das variiert von Jahr zu Jahr, normalerweise bekommt der erste Platz ein Handy mit leistungsfähiger Kamera, der zweite und dritte Platz wird mit einer Schnittsoftware prämiert.
Und auf welches Motto können sich Fans des Projektes dieses Jahr freuen?
Das steht leider noch nicht fest. Vielleicht machen wir eine freie Ausschreibung mit einem Sonderthema. Das geschieht aber erst im Frühjahr, die Planung muss noch anlaufen.
medienbewusst.de bedankt sich bei Kati Struckmeyer für das Gespräch und wünscht “Ohrenblick mal!” und seinen Veranstaltern weiterhin viel Erfolg.
Tilman Queitsch
Bildquelle:
zur Verf. gestellt v. Kati Struckmeyer