Bereits als die ersten Mobiltelefone auf den Markt kamen, galt die Handystrahlung als schwer einzuschätzender Risikofaktor. Bis heute bleibt sie eine Herausforderung für die Forschung – eindeutige Ergebnisse zum Gefahrenpotenzial blieben bislang aus. Klarheit soll unter anderem die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) initiierte „Interphone-Studie“ schaffen.
Immer wieder gelangen wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse zum Thema „Krankmacher Handy?“ an die Öffentlichkeit. Millionen Mobilfunknutzer in der Bundesrepublik sowie Abermillionen Nutzer auf der ganzen Welt sehnen sich nach Gewissheit – die ihnen jedoch bisher verwehrt blieb.
Zu unterschiedlich fallen die Resultate aus, zu kontrovers wird das Thema selbst unter Experten diskutiert. Experten, an deren Arbeit hohe Erwartungen geknüpft sind. Wobei nicht mehr, aber auch nicht weniger erwartet wird, als dass sie endlich Licht ins Dunkel bringen – und eben für Gewissheit sorgen. Eine Untersuchungsgruppe der Dänischen Gesellschaft für Krebsbekämpfung um die Krebsforscherin Isabelle Deltour hat sich dieser Aufgabe verschrieben – und jüngst eine entsprechende Studie im Fachmagazin «JNCI» (Bd. 101, S. 1721) veröffentlicht. Hierbei beschränkte man sich auf die Klärung eines möglichen Zusammenhangs zwischen Handystrahlung und dem Risiko für Hirntumore. Im Rahmen der Untersuchung werteten die Forscher eine spezielle Krankheitsstatistik, das Krebsregister von Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden, für die Jahre 1974 bis 2003 aus.
Sie stießen auf rund 60 000 Fälle von bösartigen Tumorerkrankungen im Gehirn (Gliome, Meningeome) bei Erwachsenen im Alter zwischen 20 und 79 Jahren. Bei der Analyse stellte das Forscherteam eine stabile jährliche Erkrankungsquote fest. Eine Quote, die sich in der „Handyboomphase“ , ab Mitte der 90er Jahre, nicht signifikant änderte. Die vermeintliche Schlussfolgerung, Handystrahlung erhöhe das Tumorrisiko nicht, möchten die Forscher jedoch keinesfalls vorbehaltlos ziehen. Zu groß sei das Risiko, dass sich Effekte erst nach einem längeren Zeitraum zeigten oder die Auswertung zu grob ausfiel. Ein enttäuschendes Resümee, denn eine deutliche Entwarnung klänge anders. Erwachsene Mobilfunknutzer können ergo keinesfalls beruhigt aufatmen. Aber was ist eigentlich mit den Kindern?
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat unlängst den Einfluss von Mobilfunk auf das Wohlbefinden bei Kindern und Jugendlichen getestet. Die Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigt: Handystrahlung hat keinen Einfluss auf deren Wohlbefinden. Über einen Zeitraum von 24 Stunden wurde bei rund 3 000 Teilnehmern die individuelle Mobilfunkbelastung gemessen und man fragte sie nach ihrer Befindlichkeit. Die Teilnehmer sollten mitteilen, ob und wie stark ihr Wohlbefinden getrübt ist, ob sie etwa an Kopfschmerzen, Angst oder Einschlafproblemen leiden. Dabei konnte keinerlei Zusammenhang zwischen Strahlungsbelastung und Störungen des Wohlbefindens aufgedeckt werden. Entwarnung kann und will das BfS jedoch nicht geben, denn: „Wir wissen aber weiterhin nicht, welche Langzeitwirkungen elektromagnetische Felder des Mobilfunks auf Kinder und Jugendliche haben“, so ein Sprecher des Amtes.
“Langzeitwirkung”, das ist der Kernbegriff der gesamten Diskussion. Da Krebserkrankungen lange Latenzzeiten aufweisen und die breite Bevölkerung erst vergleichsweise kurz Mobilfunktechnik nutzt, sind verlässliche Aussagen beinahe unmöglich. Ob Skandinavien oder Bayern: Niemand kann mögliche Langzeitwirkungen zum heutigen Tag evaluieren. Zumindest fast niemand. Denn da wäre noch die so genannte „Interphone-Studie“.
Das Projekt der Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll nun für Klarheit sorgen. Ergebnisse von Teilstudien sind bereits erschienen, aber längst nicht die Resultate aller Teiluntersuchungen. Berichten des „Daily Telegraph“ und anderer anglo-amerikanischen Zeitungen zufolge sollen bis dato unveröffentlichte Teilstudien äußerst besorgniserregende Ergebnisse enthalten. Man konnte offenbar eine Korrelation von intensiver Nutzung des Mobiltelefons und der Entstehung von Tumoren ermitteln, konkret ein „signifikant erhöhtes Risiko für verschiedene Hirntumore im Zusammenhang mit einer Handynutzung von zehn oder mehr Jahren“.
Den Vorberichten zufolge soll die Leiterin der Studie, Dr. Elisabeth Cardis, raten: “Besonders bei Kindern sollte der (Handy-)Gebrauch eingeschränkt werden.” Laut Cardis sind Kinder einem größeren Risiko ausgesetzt, da Schädel und Gehirne noch im Wachstum seien und somit weniger Strahlung absorbieren könnten.
Inwieweit die Angaben stimmen, wird sich zeigen, sobald besagte Teilstudien publik sind. Derweil sollten weder Kinder noch Eltern in Panik verfallen – ein gewisses Maß an Vorsorge schadet jedoch nicht. Kindern gewaltsam ihr geliebtes Mobiltelefon zu entreißen, ist nicht ratsam. Stattdessen sollte man ihnen Hinweise beim Umgang mit dem selbigen geben. Während des Schlafens sollte das Handy ausgeschaltet sein oder sich in einem anderen Raum befinden. Der Häufigkeit und Dauer von Gesprächen sollte man, falls nötig, vernünftige Grenzen setzen. Beim Telefonieren mit dem Handy sollte man ein Headset benutzen. Texten scheint – wegen des größeren Abstands – sicherer zu sein als Telefonieren. Die genannten Maßnahmen beeinträchtigen das Mobilfunkvergnügen nicht erheblich, könnten aber von großem gesundheitlichem Nutzen sein.
Yves Naber
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