Deutsches Kinderfernsehen – zum Wohle der Zielgruppe?


Mit seiner Kritik am heutigen Kinderfernsehen hat Armin Maiwald, Erfinder der „Sendung mit der Maus“, im Oktober letzten Jahres mehrfach Diskussionen über die Güte des Programmangebots ausgelöst. Er bemängelte, dass Qualitätsdefizite und Oberflächlichkeit zunähmen, bei privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern. Insbesondere quotenorientierte und kommerzielle Interessen stünden im Vordergrund. Ist diese Sorge berechtigt?

Mit den Spartensendern KI.KA, Super RTL und Nick können Kinder in Deutschland heute aus einem umfangreichen Programmangebot auswählen. „Pro Woche werden im frei empfangbaren Fernsehen 419 Stunden explizites Kinderprogramm ausgestrahlt“, sagt Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI). Die an den Bayerischen Rundfunk gekoppelte Einrichtung untersucht jährlich anhand einer vierwöchigen, repräsentativen Programmstichprobe das deutsche Kinderfernsehangebot und dessen Nutzung. Zentrales Ergebnis des „Kids Report“ von 2009 ist dabei, dass die jungen Zuschauer 52 Prozent ihrer Zeit vor dem Fernseher mit Kinderprogramm verbringen. Im Vergleich zu 1993 hat sich dieser Anteil bis heute verdoppelt.

Diese Entwicklung zeigt, so schätzt man es aus Sicht der Sender ein, die Professionalisierung in der Branche und die enorme Erweiterung des Angebots in den letzten Jahren. Das deutsche Kinderfernsehen sei heute attraktiver denn je, in Bezug auf Sendeplätze und Programmqualität. Der zu „MTV Networks“ gehörende Sender Nick profiliert sich in der Fernsehlandschaft als „globale Multimedia-Unterhaltungsmarke für Kinder“ – eine Positionierung mit starker kommerzieller Note. Konkurrent Super RTL hingegen markiert sich explizit als Familienprogramm. Die Macher des KI.KA wiederum verstehen sich nicht nur als Konkurrenz der Privatanbieter, sondern als Ergänzung innerhalb des Marktes.

Die Güteklasse des Programms, mit dem KI.KA, Nick und Super RTL aufwarten, wird seitens der Sender primär anhand der Zuschauer definiert. Außerdem werde Qualität oft durch Vielfalt charakterisiert, durch die „ausgewogene Mischung zwischen Informations-, Beratungs- und Unterhaltungsangeboten“, sagt Stephan Rehberg, Leiter der Programmplanung beim KI.KA. „Eine Sendung muss aber auch lustig und unterhaltsam sein“, sagt Oliver Schablitzki, Vizepräsident von Nick. Qualität ließe sich dabei durchaus mit der Quote vereinbaren.

Ein wichtiger Aspekt bei der Gestaltung des Kinderprogramms ist die darin eingebundene Forschung. Gerade bei der Entwicklung von Sendungen für Kinder im Vorschulalter spielt die wissenschaftliche Unterstützung eine wichtige Rolle. So arbeitete der KI.KA unter anderem bei der Konzeption der Vorschulstrecke „KiKANiNCHEN“ mit dem IZI zusammen. Nicht nur die gezielte Förderung der „Fernsehanfänger“, zum Beispiel von kognitiven Fähigkeiten wie Sprachkompetenz, stand dabei im Vordergrund, sondern auch Bewertungen aus der Zielgruppe selbst. Letzteres ist auch Bestandteil der Forschung bei Nick, die dort auch vornehmlich bei Vorschulformaten stattfindet.

Die Marktforschung bei Super RTL soll allen Programmverantwortlichen „ein Gespür für die Zielgruppe vermitteln“, sagt Birgit Guth, Leiterin der Medienforschung des Kölner Senders. Hier arbeitet man ebenfalls mit Forschungsinstituten wie „IconKids & Youth“ zusammen. Es werden aber auch eigene Studien zum Thema „Kinder und Medien“ durchgeführt.

Der Großteil des Programmangebots der Privatsender besteht aus eingekauften, zumeist US-amerikanischen Produktionen. Auch der KI.KA strahlt nicht ausschließlich eigene Formate aus, jedoch hat hier mehr als die Hälfte des Angebots seinen Ursprung in Deutschland oder zumindest Europa. Den hohen Anteil an „globalisiertem Programm“ betrachtet Götz aus medienpädagogischer Sicht als problematisch, da bestimmte Werte und Momente selbstverständlich übernommen werden, die nicht Bestandteil der hiesigen Kultur sind. Als Beispiel dafür nennt sie Cheerleader: „Die gab es bei uns im Prinzip nicht. Denn eigentlich war es bei uns so, dass Mädchen selbst Handball und Fußball gespielt haben. Und nicht Jungs zugejubelt haben.“

Im Kinderfernsehen spielen natürlich nicht nur Einnahmen aus der Werbung, sondern auch solche aus Merchandising eine wichtige Rolle. Götz sieht auch darin eine Gefahr für die Programmqualität, wenn Sendungen als reine Werbeplattform für den Verkauf von Lizenzprodukten missbraucht werden. Doch mit Merchandising werden nicht nur finanzielle Interessen verfolgt, die bei den Privatanbietern zweifellos dazugehören. Der öffentlich-rechtliche KI.KA vertreibt eine umfangreiche Produktpalette, von Sammelfiguren bis hin zu Suppentellern mit „Bernd das Brot“-Motiv. Auch KI.KA-Programmplaner Rehberg selbst findet das „in Maßen vertretbar und gut.“ Kinder könnten sich somit in ihrer privaten Umgebung mit dem Gesehenen auseinandersetzen. Zudem würden die jungen Zuschauer heute derartige Begleitmaterialien erwarten. Nicht also der finanzielle Aspekt, sondern die Bedienung der Nachfrage wird seitens des KI.KA als Motiv für Merchandising-Aktivitäten betont.

Ein Grund dafür, dass es hierzulande dennoch ein relativ hochwertiges Kinderfernsehen möglich ist, liegt womöglich im Austausch unter den Sendern und der Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten wie dem IZI. „Das IZI sensibilisiert, bringt Themen auf die Agenda und gibt Hintergrundinformationen“, so Götz, Leiterin des Instituts. Letztes Jahr stellte das IZI fest, dass weibliche Zeichentrickfiguren oft deutlich sexualisiert und unnatürlich dargestellt werden. Nach Angaben von Guth profitieren die Sender von diesen Forschungsbefunden: „Gerade ein Thema wie die Darstellung von weiblichen Identifikationsfiguren kommt inzwischen bei den Produzenten an.“

Trotzdem sieht Götz die Zukunft für vielfältiges und qualitativ hochwertiges Kinderfernsehen in Deutschland gefährdet: Es sei zu befürchten, dass sich in Zukunft zu wenig Menschen für Kinder engagieren, nicht zuletzt bedingt durch die Überalterung der Gesellschaft.

Robert Köhler

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