Terror am Computer – Führen Computerspiele zu Gewalt?


Eine in schwarz gekleidete Person betritt lautlos einen abgedunkelten Raum, in dem ein  Mann am Fenster steht und die vor sich liegende Stadt beobachtet. Ein alltägliches Bild, doch die Idylle trügt: Ohne groß zu Überlegen, ohne eine Veränderung der Mimik und Gestik, zieht die Person eine Waffe und erschießt den Mann am Fenster kaltblütig.

Dies ist nicht der Inhalt eines neuen Action-Thrillers, sondern der eines Ego-Shooters. Seit Jahren erhalten Spiele, in denen Gewalt einen großen Stellwert einnimmt, verstärkt Einzug in deutsche Haushalte. Was jedoch noch schlimmer ist, auch in deutsche Kinderzimmer. Auch deshalb wurden Ego-Shooter schon kurz nach ihrem Markterscheinen verteufelt. Man verband mit diesem Genre „nur sinnloses Herumballern und Morden“.

Warum sind Ego-Shooter eigentlich in den Fokus der Medien geraten?

Der Grund ist einfach, wenn vielleicht auch unbegründet. In den letzten zehn Jahren kam es zu Amokläufen in Erfurt, Emsdetten und Littleton, deren Täter wurden meist mit gewalttätigen Spielen in Verbindung gebracht. Es folgte ein regelrechtes Medienspektakel. Computerspiele wie Counterstrike, Doom und Quake aus dem Genre Ego-Shooter wurden zu den sogenannten Killerspielen erklärt. Politiker, Psychologen und Pädagogen verlangten eine Einschränkung der Spielaktivitäten und zunehmend auch das vollständige Verbot des Computerspielgenres auf dem deutschen Markt – diese Forderung äußerte auch Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister.

Doch gibt es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen gewalttätigem Verhalten und „Gewalt-Computerspielen“?

Wissenschaftler beschäftigen sich mehr und mehr mit dieser Thematik. In vielen Fällen auch aufgrund der vergangenen Gewalttaten. Unter diesen Forschern befinden sich zum Beispiel Mitarbeiter der Freien Universität Berlin. Diese fanden heraus, dass “nachhaltige Veränderungen der Spieler bis hin zum kriminellen Verhalten, bis heute nicht nachgewiesen werden konnten.” Der Grund liegt eher, so die Studie, in der realen Welt und ebenso in der Persönlichkeitsstruktur des Menschen selbst. Aggressive Kinder, die in einem unharmonischen Haushalt aufwachsen, neigen demnach eher zu Ego-Shootern als ausgeglichene Kinder, die sich in einem harmonischen Umfeld entwickeln. Also entspreche der umgekehrte Fall eher der Realität: Gewalttätiges Verhalten fördert den Kauf von gewalttätigen Spielen, so die Wissenschaftler der Freien Universität Berlin.

Auch Dr. Maria von Salisch entdeckte, dass “eine Zunahme von Aggressivität durch den Gebrauch von gewalthaltigen Spielen bei den untersuchten Kindern nicht festgestellt werden konnte.“ Außerdem erfuhr die Professorin für Entwicklungspsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg aus ihrer Längsschnittstudie, dass Kinder selbst die Entscheidung für die Nutzung dieser Spiele treffen.

Doch nicht alle Forschungsergebnisse fallen zu Gunsten der Computerspielnutzung von Ego-Shootern und anderen Spielen mit gewalthaltigem Inhalt aus: So zeigte beispielsweise Ingrid Möller, Psychologin an der Universität Potsdam anhand von drei Studien, wie durch das Konsumieren von Mediengewalt das Aggressionspotential steigt und gleichzeitig bei den Kindern die Fähigkeit zum Mitleiden falle. Zu einem ähnlichen Schluss kam der amerikanische Medienforscher Douglas Gentile von der Iowa State University. Er stellte fest, dass bei Kindern nach dem Spielen durchschnittlich eine höhere Neigung zu aggressivem Verhalten entstehe und diese im Gegenzug weniger Mitleid für andere empfinden würden.

Doch was bedeuten diese vielseitigen Erkenntnisse? Werden Kinder durch die Computerspiele gewalttätiger oder nicht?

Wie so oft sind sich die Wissenschaftler darüber nicht einig. Ein Teil ist der Meinung, dass überhaupt keine langfristigen Konsequenzen für Kinder und Jugendliche existieren, andere sehen in den gewalthaltigen Spielen eine akute Gefahr. Eines wird jedoch deutlich: Das kurzzeitige Aggressionspotential der Spieler von Ego-Shootern wird gesteigert! Ob dieses zu gewalttätigem Verhalten führt, ist jedoch fraglich.

Computerspiele führen also langfristig nicht zu gewalttätigen Verhalten, aber dennoch macht uns etwas Sorgen: Allgemein gesehen werden wir jeden Tag und durch alle möglichen Medien mit Gewalt konfrontiert. Seien es die Nachrichten mit Bildern über den neusten Krieg oder ein sehr brutaler Spielfilm. Es scheint als würde unsere Gesellschaft langsam aber sicher verrohen. Denn nur wenn derartige Filme, Computerspiele oder ähnliche Medienprodukte gefordert werden, reagieren die Hersteller mit einer großen Produktion.

Daher sollte es umso wichtiger sein, dass Kinder nicht zu früh mit gewalthaltigen Inhalten in Berührung kommen, beispielsweise weil ein älteres Geschwisterkind solche Spiele spielt. Es gibt viele schöne Spiele, die auch für jüngere Kinder geeignet sind und nicht von Gewalt handeln. Denn Kinder sind oft nicht in der Lage, mit den Eindrücken eines gewalthaltigen Spiels umzugehen. Sie verstehen vor allem in jungen Jahren nicht, warum die Figur in sich zusammensackt, wenn diese von einer Kugel getroffen wurde. Da jedoch nur rund drei Prozent der jährlich veröffentlichen Spiele zum Genre „Ego-Shooter“ gehören, ist die Hoffnung groß, dass andere Spiele von unserer Jugend gewünscht und genutzt werden. Adventure – oder Aufbauspiele sind zum Beispiel besser für Kinder geeignet, denn sie fördern unter anderem das logische Handeln.

Was kann man abschließend für Schlüsse ziehen?

Kurzfristige Aggressionen können durch Computerspiele entstehen, das ist ein nachgewiesener Fakt. Aber daraus muss nicht zwangsläufig Gewalt entstehen. Daher spielen vor allem Eltern eine wichtige Rolle: Sie können ihren Kindern den richtigen Umgang mit gewalthaltigen Inhalten lehren und sie davor schützen, dass sie zu früh damit konfrontiert werden. Auch Beiräte, wie die USK, übernehmen eine gewisse Schutzfunktion, denn sie geben die Spiele nur für bestimmte Altersklassen frei – auch als Fürsorge für Kinder, die nicht ahnen, was in einem Ego-Shooter passiert und das dort (virtuell) getötet wird. – Daher raten wir Ihnen: Lassen Sie sich von der USK leiten und machen Sie sich Gedanken über den Kauf und die Benutzung von Computerspielen für Ihre Kinder.

Annegret Jähn

Quellen:
http://www.fu-berlin.de/presse/wissenschaft/2006/pdw_06_017.html
http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000002096
http://www.tecchannel.de/netzwerk/news/458436/studie_computerspiele_fuehren_nicht_gleich_zu_gewalt/
http://www.zeit.de/online/2008/36/killerspiele-verbot-interview-herrmann
http://www.zeit.de/online/2008/21/killerspiele-interview
http://www.sueddeutsche.de/computer/777/357604/text
http://www.dji.de/cgi-bin/inklude.php?inklude=stellungnahmen/gewaltundmedien/gewaltcomputerspiele.htm