“Eine unglaubliche Gagdichte, ein Feuerwerk an witzigen Dialogen, da kann man fast schon die Uhr nach stellen, mindestens alle 20 bis 30 Sekunden kommt ein Gag.” Mit diesen Worten beschreibt Frank Klasen, Redaktionsleiter des Kinderprogramms von Super RTL, die US-Kindersitcoms, die seit geraumer Zeit die Vorabende des Senders besetzen. Die erstaunliche Zuschauerquote von rund einer Million Zuschauern pro Folge führt zu der Frage, was diese Sitcoms so beliebt macht und ob dieser Teil amerikanischer Fernsehkultur Kinder auch beeinflussen kann.
Sitcoms sind heutzutage keine Neuerscheinung mehr in der Fernsehlandschaft. Spätestens seit ‘Friends’ und ‘Scrubs’ ist auch älteren Zuschauern bekannt, dass es sich hierbei um Serien handelt, die mit witzigen Dialogen und komischen Situationsszenarien versuchen, so viel Humor wie möglich in halbstündigen Folgen zu komprimieren. Eine quantitative Analyse des Erziehungswissenschaftlers Clemens Lambrecht über Humorsendungen im Kinderfernsehen zeigt, dass Sitcoms in deutschen Fernsehprogrammen mit einem Anteil von 13 Prozent die zweitgrößte Komikplattform für Kinder darstellen. Seit 2007 sendet Super RTL Kindersitcoms, die von Disney produziert wurden. Wegen der sehr positiven Zuschauerresonanz ließ der Sender nach kurzer Zeit die wöchentlichen Ausstrahlungen in tägliche ändern.
Womöglich erklärt sich die Beliebtheit der Serien erstens dadurch, dass sich Kinder sehr gut mit den Charakteren der Serien identifizieren können. Die Figuren, kaum älter als sie selbst, durchleben gleiche Probleme mit Freunden und Familien wie sie. Gleichzeitig haben die Charaktere meist eine Besonderheit oder eine Begabung, die sie von anderen hervorhebt. Die Hauptfigur der gleichnamigen Serie ‘Hannah Montana’ vereint zum Beispiel das, was sich womöglich viele Jugendliche heutzutage wünschen: In einem sozialen Umfeld fest integriert zu sein, aber gleichzeitig eine Möglichkeit zu finden, sich selbst zu behaupten und eine Inspirationsquelle für andere zu sein.
Zweitens punkten die Serien durch ihren hohen Komikanteil. Nach Clemens Lambrecht sind Slapstick und Sprachwitz die zwei favorisierten Komikarten der Kinder. Gerade diese beiden werden in den US-Sitcoms am häufigsten benutzt: Jüngere Zuschauer erfreuen sich der lustigen Slapstickeinlagen, ältere schmunzeln über ironische Dialoge und freche Wortanspielungen.
Bei Sendungen mit einer jungen Zielgruppe wird geradezu erwartet, dass auch erzieherische Werte in den Serien verankert sind. „Bewusst das Falsche tun lohnt sich nie“, „Sei ehrlich“, „Glaub an dich“, „Man lernt aus Fehlern“, das sind nach Frank Klasen nur einige der vielen Aussagen, die in den Serien immer wieder aufs Neue und sehr einfallsreich verpackt werden. Keine erhobenen Zeigefinger, in diesen Serien sind Erwachsene selbst Teil der Komik. Die Charaktere durchlaufen viele schräge Situationen und erkennen dabei ihre Fehler oder sie gewinnen neue Einsichten über sich selbst und ihre Umwelt.
Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass Super RTL versucht, diese Serien auch als Familienserien zu vermarkten. Die Hauptzielgruppe sind Acht- bis 13-Jährige, doch Frank Klasen zufolge sind sowohl jüngere als auch ältere Zuschauer den Serien zugetan. „Bei einer Folge aus der letzten Woche von Zack&Cody hatten wir über 1,2 Millionen Zuschauer erreicht. Wenn man sich die Zielgruppe der Kinder anschaut, haben wir 600 000 Kinder im Alter zwischen drei und dreizehn Jahren erreicht, aber eben auch 600 000 Erwachsene.“
Neben den positiven Eigenschaften sind folgende Aspekte allerdings noch hervorzuheben: Die typisch für US-Sitcoms im Hintergrund eingespielten Lacher können das Kind zum Mitlachen anstiften, ohne dass es den Witz nachvollziehen kann oder will. Auch einige Komikarten sind bedenklich: In der Serie ‘Hannah Montana’ wird zum Beispiel die die schräge Stimme der Nebenfigur Traci als Lachfaktor dargeboten. Elizabeth Prommer, Lothar Mikos und Sabrina Schäfer fanden in ihrer Studie über die unterschiedliche ‘Lachweise’ von Preteens und Erwachsenen heraus, dass gerade diese Humorart bei Kindern unter 16 Jahren sehr beliebt ist – nämlich das Sprechen von Dialekten und die Veralberung einer Minderheit durch Imitation von deren Sprechweise sowie die Schadenfreude bei Missgeschicken von anderen Menschen. Laut Prommer wird dabei nicht über das Konzept vom ‘Anderssein’ gelacht, sondern über die witzige Performance der Darsteller. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass solche Komikarten den Humor der Kinder prägen und, da oft im Zusammenhang mit parodisierten Minderheiten gelacht wird, unterschwellig Vorurteilsdenken unterstützen können. Prommer und ihre Kollegen gehen davon aus, dass es eine “biografische Entwicklung des Humorverständnisses” gibt. Ebenso sei der Humor von der “kognitiven und moralisch-ethischen Entwicklung” abhängig.
US-Kindersitcoms haben sich auf dem internationalen Fernsehmarkt seit Jahren etabliert und finden in dem deutschen Kinderfernsehen auch immer mehr ihren festen Platz. Neben Super RTL strahlt beispielsweise der Sender Nick ebenfalls vereinzelt US-Sitcoms für ein junges Publikum aus. Das Genre mag eine erfrischende Alternative im Fernsehprogramm bieten und den Kindern neben dem Lachen oder gerade mit dessen Hilfe Werte vermitteln. Voraussetzung dafür ist ein vorsichtiger Umgang mit den Inhalten seitens der Produzenten und Sender. Auch Eltern sind von der Verantwortung keineswegs freigesprochen – ihre Aufgabe ist es, den durch die Sendungen vermittelten Humor kritisch zu beurteilen, da ein Einfluss auf ein jüngeres Publikum nicht ausgeschlossen werden kann.
Thuy Anh Nguyen
Bildquelle:
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zur Verfügung gestellt v. Super RTL