Kinder und Jugendliche leben in einer Welt voller Medien. Schier unlösbar scheint die Aufgabe des Zurechtfindens. Doch wie kann man unserer Jugend weiterhelfen? Was können Eltern, Verwandte und Pädagogen tun, um drei bis 13-Jährigen Medienkompetenz zu vermitteln? medienbewusst.de sprach über diese Themen mit Schauspielerin Ann-Kathrin Kramer.
Zur Person: Ann-Kathrin Kramer wurde am 4. April 1966 in Wuppertal geboren. Bevor sie sich mit 26 Jahren für die Schauspielerei entschied, verdiente sich die nun 42-Jährige ihr Geld als Schauwerbegestalterin und Portraitmalerin. Ann-Kathrin Kramer ist Mutter eines elfjährigen Sohnes und mit dem Schauspieler Harald Krassnitzer liiert. Berühmt wurde die Wuppertalerin unter anderem durch ihre Rollen in „Ein Zwilling ist nicht genug“, „Die Nonne und der Kommissar“ sowie durch die Kriminalfilmreihe „Das Duo“. Neben der Schauspielerei widmet sich Kramer auch der Literatur. 2007 erschien ihr erstes Kinderbuch „Matilda – oder die aus dem Haus ohne Fenster“.
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Was denken Sie, welche Rolle die Medien in der heutigen Gesellschaft für Kinder und Jugendliche spielen?
Unsere Kinder werden in einer anderen Welt groß als meine Generation. Medien gehören nicht nur dazu, sie sind omnipräsent. Wir hatten Zeit, den Umgang damit zu lernen, aber unsere Kinder werden davon schnell überflutet. Von daher halte ich es für wichtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Es hilft nicht, es einfach zu verteufeln. Wie alles hat auch die Medienlandschaft sein Für und Wieder. Die Frage ist doch nur; lerne ich Medien zu nutzen oder benutzen sie mich!
Und wie ist das bei Ihnen und Ihrer Familie?
Wir haben Handys, gehen ins Kino, hören Musik und natürlich wird auch fern gesehen. Dabei versuchen wir als Erziehungsberechtigte mit gutem Beispiel voranzugehen und die Nebenbeinutzung zu verhindern. Überhaupt glaube ich, dass man den Kindern viel erzählen kann. Wirklich lernen tun sie aber durch das, was man ihnen vorlebt. Ich habe schon immer Hörspiele und Lesungen geliebt. Daher kommt mir der Boom auf diesem Sektor sehr entgegen. Natürlich wurden für meinen Sohn irgendwann auch Computerspiele interessant. Glücklicherweise fesseln sie ihn meist nicht so, dass er die Kontrolle über das Spielen verliert.
Kennen Sie diese Medienvielfalt aus Ihrer eigenen Kindheit?
Meine Brüder und ich haben früher sehr wenig fern gesehen. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass mir das besonders gefehlt hätte. Die Ursache dafür war sicher, dass meine Eltern ebenfalls sehr dosiert geguckt haben. Wir hatten Schallplatten mit Märchen und Hörspielen und die wurden gehütet wie Schätze. Manche hörten wir, bis wir sie komplett auswendig konnten. Computerspiele gab es nicht, das Radioprogramm für Kinder beschränkte sich auf eine halbe Stunde pro Tag und Kinobesuche hatten Feiertagscharakter. Grundsätzlich kann man sagen: all diese Medien dienten nicht der Berieselung oder Ablenkung. Die Nutzung war ein aktiver Vorgang.
Also sollten Kinder bewusster an die Medienwelt herangeführt werden!? Wer sollte diese Aufgabe Ihrer Meinung nach übernehmen?
Es ist sicher keine leichte Aufgabe, aber ich halte es für zwingend. Hier sind alle gefragt, die Kinder in die Welt begleiten. Vor allem Eltern, Verwandte, aber natürlich auch Lehrer/innen, Erzieher/innen, leider manchmal schon Kindergärtner/innen. Leider, weil Kinder meiner Meinung nach viel zu früh massiv mit Medien in Kontakt kommen – zumeist als ein Ersatz für den Babysitter. Man muss die Kinder nicht künstlich fern halten von diesem so präsenten Teil unseres Lebens. Es ist aber sehr wohl eine Frage der Dosierung und des bewussten Umgangs damit.
Was sollten Eltern beziehungsweise Pädagogen diesbezüglich wissen oder erlernen?
Es ist sicher gut zu wissen, wo die Gefahren lauern. Was sind das zum Beispiel für Spiele, die mein Kind nutzt. Vor allem die Welt des Internets gilt es immer wieder neu zu erforschen. Damit ein Jugendlicher dort seine geheime, private Welt haben kann, muss er zuvor lernen, was sich da an Risiken verbirgt. Jenseits von Spiel, Spaß und erster Liebe. Aber zunächst liegt es an uns. Wir müssen uns in dieser Medienwelt zurechtzufinden. Nur wenn wir wissen wovon wir reden, können wir unseren Kindern eine Hilfe sein. Ich denke da vor allem an Computer- und Videospiele. Aber auch an Film und Fernsehen. Kommunikation ist da ganz wichtig. Wir müssen das erlernte Wissen an die Kinder weitergeben – jeweils altersgemäß. Denn das Ziel muss doch sein, das Eltern nicht „Big Brother-mäßig“ ihre Kinder kontrollieren, sondern ihnen nach und nach Medien zutrauen.
Haben Sie eine solche Wissensvermittlung mit Ihrem Buch „Matilda – oder die aus dem Fenster ohne Haus“ angestrebt?
Bezwecken wollte ich gar nichts. Ich hatte keinen Bildungsauftrag. Mir lag einfach daran Geschichten nicht über den Kopf der Kinder hinweg zu erzählen. Das Wunderbare an Kindern ist, dass sie ihren Fokus so uneingeschränkt auf eine Sache lenken können. Nichts zerstreut sie, keine Bedenken stören ihre Pläne und Ideen. Dieses Leben im Jetzt und in der momentanen Wahrheit, das bewundere ich. Es wäre schön, wenn Erwachsene dafür mehr Verständnis hätten – auch wenn in diesen Welten Gläser kaputt gehen, Farbe verkleckert oder Schürfwunden entstehen. … Also vielleicht doch ein „Bildungsauftrag“. Aber für die Eltern, nicht für die Kinder….
Medienerziehung gehört also mehr denn je zum alltäglichen Leben. Wird das in Ihrer Familie auch schon realisiert? Achten Sie auf feste Rituale und den Medienkonsum?
In unserem Haus regiert die sog. „heitere Strenge“. Es gibt feste Rituale, die aber durchaus auch einmal gebrochen werden können. Wir halten Ausnahmen für sehr wichtig, solange sie auch als solche wahrgenommen werden. Es gibt fernsehfreie Tage für meinen Sohn. Ins Internet darf er allein noch nicht und wenn er ein Computerspiel spielen will muss er fragen und wir handeln einen Zeitraum aus. Wir haben von Anfang an immer über die Auswahl der Programme, Filme oder Spiele gesprochen und ihn aktiv daran Teil haben lassen. Für manches hat er gekämpft, manchmal konnte er uns überzeugen oder auch einmal überreden. Aber unser Ziel ist es immer, dass Kontrolle vermieden wird. Ich will mein Kind nicht kontrollieren, ich wünsche mir, dass wir immer Regelungen finden, mit denen sowohl wir, als auch unser Kind gut leben kann.
medienbewusst.de bedankt sich für das Interview und wünscht weiterhin viel Erfolg.
Annekathrin Rudolph