Margret Albers (41) arbeitet seit dem Jahr 2000 als Vorstandssprecherin für den Förderverein Deutscher Kinderfilm. Gleichzeitig ist sie seit 13 Jahren als Geschäftsführerin bei Deutschlands größtem Kinderfilmfestival, dem Goldenen Spatz, in Erfurt tätig. Nach ihrem Studium in Anglistik und Germanistik in Göttingen und Berkeley absolvierte sie ein Aufbaustudium im Fach Medienwissenschaft an der „Hochschule für Film und Fernsehen“ Potsdam-Babelsberg. medienbewusst.de spricht mit ihr über ihre Arbeit für und mit Kindern, was sie daran fasziniert und wie es um den deutschen Kinderfilm steht. Der Goldene Spatz feiert dieses Jahr sein 30-jähriges Jubiläum und findet vom 24. bis zum 30. Mai in Erfurt und Gera statt.
Frau Albers, Sie sind Vorstandssprecherin des Fördervereins Deutscher Kinderfilm. Welche Ziele verfolgt der Verein?
Das wesentliche Ziel des Vereins besteht darin, Lobbyarbeit zur Stärkung von Kinderfilmen in Deutschland zu betreiben. Hierbei sind auch die europäische und globale Ebene zu beachten. In der ganzen Welt gibt es Äquivalente zu unserem Verein, mit denen wir zusammenarbeiten.
Welche Maßnahmen ergreift der Verein, um diesem Ziel näher zu kommen?
Unser Verein verfolgt zurzeit zwei große Projekte. Da ist zum einen die Website www.kinderfilm-online.de, deren Herzstück eine umfangreiche Kinderfilmdatenbank mit Inhaltsangaben ist. Damit wollen wir verstärkt auf Kinderfilme aufmerksam machen. Das zweite Projekt ist unsere Akademie für Kindermedien. Das ist eine Fortbildungsmaßnahme, die sich an Autoren und Entwickler von Kinderfilmstoffen richtet. Es gibt drei Klassen im Angebot: Entwicklung von Spielfilmstoffen, von TV-Serien und von interaktiven Anwendungen.
Wie kann man sich die Arbeit in diesen Klassen vorstellen?
In jeder Klasse sind drei oder vier Autoren, die bei ihrer Arbeit von einem erfahrenen Mentor betreut werden. Was die Akademie besonders auszeichnet, ist ein sehr umfangreiches Rahmenprogramm. So betreiben die Teilnehmer beispielsweise Filmanalysen und Gastdozenten berichten über den Markt. Um nicht an der Zielgruppe vorbei zu arbeiten, gehen die Autoren mit ihren Filmstoffen auch in Schulen und binden die Kinder in die Inhaltsentwicklung ein.
Sie arbeiten sehr intensiv mit Kindern und Medien zusammen. Woher rührt dieses große Interesse?
Das hat sich eher zufällig ergeben. Kindermedien waren in meiner Studienzeit in Babelsberg nicht mein Hauptgebiet. Allerdings war ich an einer Tagung beteiligt, wo es um Jugendfilme aus Ost- und Westdeutschland ging. Das fand ich schon recht spannend. Nach Abschluss des Studiums habe ich beim Goldenen Spatz angefangen und schnell gemerkt, dass es eine sehr reizvolle und interessante, gleichwohl auch schwierige Aufgabe ist, sich Medien für Kinder zu widmen. Kinder sind einfach ein tolles Publikum, die das Bestmögliche verdienen. Da sie selber keine Lobby haben, liegt es an uns, sie zu unterstützen.
Trifft Ihr Engagement manchmal auf taube Ohren?
In den letzten zehn Jahren hat sich schon viel getan. Es gab aber Zeiten, wo der Kinderfilm als langweilig galt und viele fragten: „Braucht man den überhaupt?“ Das hat sich nun, auch dank den Kassenerfolgen von Kinderfilmen, geändert. Die Verfilmungen der Erich Kästner-Bücher sind für den deutschen Kinderfilm sehr wichtig gewesen, weil sich damit gezeigt hat, dass es einen Markt gibt. Lobbying alleine ist schon gut, aber Lobbying zusammen mit einem Markt, wo man auch Geld verdienen kann, hilft natürlich immens.
Wie hat sich der deutsche Kinderfilm in den letzten Jahren entwickelt?
In Deutschland haben sich Adaptionen von Bestsellern etabliert. Angefangen mit den Kästnerfilmen, „Räuber Hotzenplotz“, oder, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, die „Vorstadtkrokodile“. Die Filmemacher adaptieren Stoffe, die schon die Elterngeneration gelesen hat, um sowohl Eltern, als auch Kinder ins Kino zu locken.
Im Zuge dieser großen Filme wurden in den letzten Jahren auch ein paar bemerkenswerte, wenn auch nicht allzu erfolgreiche, Originalstoffe für Kinder realisiert. Es gehört zu den Aufgaben des Fördervereins, dass diese unabhängigen Produktionen gegen die zunehmende Anzahl von Filmmarken, bestehend aus mehreren Teilen mit vielen Fanartikeln, eine Chance haben.
Was macht für Sie einen perfekten Kinderfilm aus?
Einem sehr guten Kinderfilm gelingt es, Kinder in doppelter Hinsicht ernst zu nehmen. Zum einen als Hauptdarsteller, da man Kinder im Film oft zu netten Nebendarstellern degradiert. Zum anderen sollte das Kind als Zuschauer ernst genommen werden. Was der Film zum Gegenstand hat und wie er gemacht ist, muss ihren Fähigkeiten und Wünschen entsprechen, sie also weder über- noch unterfordern.
Sie sind neben ihrer Tätigkeit beim Förderverein Deutscher Kinderfilm auch Geschäftsführerin bei Deutschlands größtem Kinderfilmfestival „Goldener Spatz“. Was zeichnet den Goldenen Spatz Ihrer Meinung nach aus?
Etwas ganz Besonderes ist unsere Kinderjury. 24 Kinder aus ganz Deutschland, Südtirol, Österreich und der Schweiz gucken 18 Stunden Film und vergeben Preise. Mir macht das Arbeiten mit den Kindern großen Spaß.
Anhand welcher Kriterien wählen Sie die Jury aus?
Die Kinder bewerben sich mit einer selbst gewählten Filmkritik. Dieses Jahr hatten wir ca. 130 verschiedene Filme, über die die Kinder geschrieben haben und um die 900 Bewerbungen für die Jury. Da fällt einem die Entscheidung sehr schwer.
Bei der Filmkritik suchen wir diejenigen aus, wo klar wird, dass sie sich wirklich mit dem Film auseinandergesetzt haben. Manche Kritiken sind seitenlang und in perfekter Form geschrieben, aber nichts anderes als Nacherzählungen. Ein anderer schreibt eine halbe Seite, ringt nach Worten und hat eine grauenvolle Rechtschreibung, ist aber möglicherweise besser für die Juryarbeit geeignet, weil er gezielt ausdrücken kann, was der Film in ihm bewegt.
Sie arbeiten nun seit 13 Jahren beim Goldenen Spatz. Gab es Momente, wo die Kinder Sie überrascht haben?
Ach, da gab es viele! Da fällt mir das Festival aus dem Jahr 1999 ein. Die Kinder berieten über die Kategorie Animationsfilme, befanden von diesen Beiträgen aber keinen für gut genug. „Gut, das ist dann zwar traurig für die Einreicher, dass kein Preis vergeben wird“, habe ich gesagt, „Ihr müsst es aber kurz begründen“. Daraufhin haben sie eine Begründung geschrieben, die sich gewaschen hat. Ich habe ihnen dann erklärt, dass man für die Arbeit des Filmemachers trotzdem einen gewissen Respekt aufbringen muss, was die Kinder auch eingesehen haben.
Die Kinder haben also schon sehr hohe Ansprüche an die Filme?
Absolut! Wenn ich sehe, wie sie um Entscheidungen ringen, merkt man schon, dass Kinder in unserer Gesellschaft viel zu wenig Möglichkeiten haben, ihre eigene Meinung und ihre Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen. Wenn man Kindern diese Möglichkeit gibt, greifen sie instinktiv zu. Es ist die beste Jury, die man haben kann!
medienbewusst.de bedankt sich bei Margret Albers für das Interview und wünscht weiterhin viel Erfolg.
Julie Peignois