Piraten auf Pauschalurlaub


Piraten sind wild, unbarmherzig, gefährlich, stechen mit Säbel und Gebrüll in See, kapern Schiffe und rauben heimtückisch ahnungslose Seefahrer aus! – Zumindest in Erzählungen und Filmen, nicht aber in Markus Rohdes Kinderliedern. Hier gehen die Piraten auf Pauschalurlaub, reisen kochend übers Meer und erleben wilde Stürme in der Badewanne. Das klingt fantasievoll, abenteuerlich und bunt, ganz nach einer wundervollen Unterhaltung für Kinder.

Auf seinem ersten Soloalbum „Piraten, Wellen und Spinat“ verspricht der ehemalige Blindfisch Markus Rohde Musik für Kinder, die fern von bisher Gehörtem, eine abwechslungsreiche Mischung bietet und mit Märchenwaldmelodien und Eindrücken vom Mars, auch über das eher Jungs ansprechende Thema des wilden Piraten hinausreicht. Inwiefern allerdings solche themenabweichenden Lieder den Erwartungen kleiner Piratenliebhaber gerecht werden können, bleibt fraglich.

Ein Fragezeichen lässt sich beim Hören auch an manche Textstelle setzen, die zwar abwechslungsreich vom Künstler gestaltet, in manchen Passagen aber kaum logisch, sondern eher schwer verständlich ist. Ein Grund für dieses Unverständnis kann beispielsweise die Wortwahl sein. So gehören Wörter wie „Pauschalurlaub“, „Jutesack“ oder „Packeisscholle“ kaum zum alltäglichen Wortschatz eines Kindes ab 5 Jahren. Vielmehr stellen sie eine erste Herausforderung dar, die rockigen Piratenkinderlieder von Markus Rohde zu verstehen. Dabei sollte doch gerade das Entwerfen einfacher Texte ein großes Anliegen im Entstehungsprozess von Kinderliedern sein.

Um diesem Anliegen gerecht zu werden, bringt der Künstler viele einfallsreiche Reime in seinen Liedern unter. Diese sind gerade für Kinder eingängig und erleichtern das Wiedererkennen und Mitsingen schon bei den kleineren Fans. Eine klare Linie in den Geschichten über den Aufbruch in spannende Abenteuer verliert sich an manchen Stellen jedoch in unreinen oder gar unpassenden Reimen wie „die Flagge weht am Heck und der Kakadu ruft „All hands on deck“ und man fragt sich, warum „der Käpt´n und Marianne“ im Badewannensturm plötzlich „ihre Kaffeekanne“ suchen.

Eine gewisse Kreativität kann man dem Sänger in seinen Liedern nicht abstreiten. Über den pädagogischen Wert solcher Formulierungen wie „Reis mit Scheiß“ lässt sich jedoch streiten. Hier verliert sich, so lustig das Lied „Ich koch Spinat mit Spagat, Spaghetti mit Konfetti…“ auch anfängt, schon nach den ersten Versen die Heiterkeit und Akzeptanz und weicht einer gewissen Brisanz, wenn es um Lieder für Kinder im Vorschulalter geht.

Vorschulalterwürdig sind hingegen die Melodien, die zwar ungewöhnlich für Kinderlieder und manchmal leicht verquer, aber fetzig sind und dem Zuhörer schon nach dem zweiten Hören einen ordentlichen Ohrwurm verpassen. Wer aber erwartet, dass Rockmusik für Kinder immer fröhlich und optimistisch ist, wird sich beim Hören dieser CD vom Gegenteil überzeugen lassen müssen. Verlust spielt gleich an mehreren Stellen des Albums eine große Rolle. Sei es der Verlust der Flughöhe des Drachens, der kleine Kakadu oder aber die Oma, die nicht wiederkehrt. Piraten haben eben auch nicht immer sonnige Tage.

Wundervolle Unterhaltung bietet „Piraten, Wellen und Spinat“ somit nur den Kindern, die auch von der traurigen Seite des Lebens wissen und hören wollen, die über Fremdwörter hinwegsehen und auch schwierigere Zusammenhänge schon verstehen können. Darüber hinaus sollten kleine Piratenzuhörer offen für Neues sein und am besten schon wissen, dass „Pickelfett“ und „Scheiß“ keine Alltagsvokabeln sind, die es als Schimpfwörter zu adaptieren gilt. Wenn dann optimalerweise auch noch ein paar Kenntnisse zum hamburgerisch-seemännischen Dialekt vorhanden sind, steht dem wild-rockigen Piratenschauspiel nichts mehr im Wege. Denn zum Mitmachen und Mittanzen animieren Lieder wie „Ho, Hey,Ho“ von Markus Rohde durchaus.

Lisa Schwinn

Bildquelle: © 2009 Olivia Court Mesa