Die Weihnachtsfeiertage haben wir hinter uns gelassen. Was bleibt sind ein paar Pfunde mehr auf den Hüften, mehr oder weniger gelungene Geschenke und Weihnachtsohrwürmer à la „Last Christmas“. Letztere ertönen heutzutage meist nur noch aus den Lautsprechern der heimischen Stereoanlagen. Immer seltener musizieren Familien gemeinsam unter dem Weihnachtsbaum. Die manchmal doch sehr schrägen Töne aus den Blockflöten der Jüngsten bleiben immer häufiger aus. Was ist der Grund für diese Entwicklung und warum ist es wichtig sie rückgängig zu machen?
Musik sollte nicht nur an den Feiertagen eine Rolle spielen. Sie sollte im Gegenteil jeden einzelnen Tag des Lebens mit Harmonie und Wohlklang füllen – vor allem im Kindesalter! Denn gerade die Kleinsten profitieren von einer frühen musikalischen Erziehung auf eine Art und Weise, die ihr Leben erstaunlich vereinfachen und positiv prägen kann.
Spätestens seit der 6-jährigen Langzeitstudie „Zum Einfluss von erweiterter Musikerziehung auf die allgemeine und individuelle Entwicklung von Kindern“, welche vom Bundesministerium für Bildung und Forschung veranlasst wurde, besteht kein Zweifel mehr an einer signifikanten Wirkung von Musik. So bestätigen die Berliner Untersuchungen an 6- bis 12-jährigen Kindern eine vorteilhafte Entwicklung in den Bereichen „soziale Kompetenz“, „Intelligenz“, „Konzentration“, „Leistung& Kreativität“ sowie „allgemeine schulische Leistungen“. Welcher Elternteil wünscht sich nicht, seinem eigenen Kind diese Qualitäten und Eigenschaften mit auf den Weg geben zu können?
Trotz dieser Wünsche erweist es sich heutzutage oft als schwierig, der Musik den richtigen Stellenwert in der Familie und im Leben einzuräumen. So bestätigt auch die Musikpädagogin Tatjana Watzinger, dass es „in den Familien früher einfach einen wesentlich natürlicheren Umgang mit der Musik gab, der mehr oder minder bis auf Familien, in denen Musik professionell bis semi-professionell betrieben wird, kaum noch stattfindet. Aus dem einfachen Grund, weil sich heute kaum einer mehr leisten kann, dass ein Elternteil ganztägig zuhause ist – da fehlt einfach die Zeit“. Und zwar die Zeit, schon im frühen Kindesalter mit einer Heranführung an die Musik zu beginnen.
Das bedeutet auf keinen Fall, den Musikunterricht in der Grundschule abzuwarten, um nach dem Erlernen der notwendigen Notenkenntnisse mit einem Instrument zu beginnen. Eine musikalische Erziehung kann und sollte möglichst schon vor der schwierigen Hürde der Einschulung in Angriff genommen werden. So tun sich „Kinder, die zwei Jahre lang Glockenspiel gelernt haben (…) ganz leicht mit Schreiben, weil sie die Feinmotorik, das Stifthalten, als vollkommen unproblematisch empfinden. Auch die kreative Gehirnhälfte, die schon zwei Jahre vorher trainiert ist, ist wesentlich offener in der Grundschule neue Dinge zu erlernen.“
Um diese hilfreichen Voraussetzungen zu schaffen, bieten sich verschiedene Einstiegsvarianten an. Eine Möglichkeit bietet das frühmusikalische Mutter-Kind-Singen, welches für Kinder ab 1 ½ Jahren konzipiert wurde und hauptsächlich dazu da ist, die Eltern in ihrem musikalischen Umgang mit ihrem Kind zu fördern. Im Anschluss daran wird an einigen Musikschulen auch „Elementarmusik“, ein spielerisches Hinführen mit rhythmischen und motorischen Schwerpunkten, angeboten, bei welchem, laut Watzinger, versucht wird, die Stimme schon so weit in die Höhe zu bekommen, „dass die Kinder lernen, dass man nicht brummt“. Mit 4 Jahren ist dann das übliche Einstiegsalter in die „Musikalische Früherziehung“ erreicht, welche das Kind innerhalb von 2 Jahren an die vier Teilbereiche „Rhythmik“, „Hören“, „soziale Fähigkeiten“, wie Zuhören und Stillsitzen, und „Motorik“ heranführt.
Nach dem Schaffen dieser Grundlage kommt die nächste Hürde: Welches Instrument soll das Kind erlernen? Muss es denn wirklich die altbekannte Blockflöte sein, die als Kindheits-Albtraum eines jeden in Erinnerung bleibt und bei deren Gedenken so mancher sein Gesicht verzieht? Fakt ist, dass man die altersabhängigen Möglichkeiten eines Kindes nie außer Acht lassen darf. Dabei muss man sich, laut Watzinger, vor allem fragen, was ein Kind in welchem Alter überhaupt leisten kann: „Kinder haben natürlich keine wirkliche Vorstellung von einem Instrument, sondern sie sehen durch Medien und andere Außeneinflüsse ein bestimmtes Instrument und meistens gefällt es ihnen erst einmal optisch. Die wenigsten haben eine Klangvorstellung und schon überhaupt keine Vorstellung, wie es sich umsetzt.“
Welcher kleine Künstler in welchem Instrument seine Erfüllung findet, hängt von der individuellen Fein – (bspw. Klavier, Gitarre)oder Grobmotorik (Blasinstrument) ab, variiert aber auch je nach Alter und Interesse des Schülers. Im Rahmen der musikalischen Früherziehung bieten sich grundsätzlich schlagtechnische Instrumente wie Trommel und Glockenspiel oder die mehrfach genannte Flöte an, die – so Watzinger – „dem Ganzen (…) voraussteht, weil sie 2 Jahre Gelegenheit gibt, ganz genau einzuschätzen, welchen Weg das Kind musikalisch nimmt.“
Dass das Kind jedoch überhaupt einen musikalischen Weg einschlägt, hängt von der jeweiligen Bereitschaft der Eltern ab, die Entwicklung der Kleinen durch frühe musikalische Bildung aktiv zu fördern. Die Bereitschaft der 4- bis 6-Jährigen ist hierbei wenig zweifelhaft. Solange Kinder genaue Vorstellungen und Anweisungen bekommen, wann zu lustigen, lauten Klängen geklatscht, gerufen oder gesungen werden soll, ist die Motivation keine Frage. Fraglich ist also nur, warum – wenn überhaupt – an Weihnachten das bunte musikalische Treiben der Kinder ins Interesse rückt, wo doch wissenschaftlich erwiesen ist, dass Kinder mit musikalischer Erziehung sozial urteilsfähiger handeln können, besser in der Lage sind, aus Erfahrungen zu lernen und Situationen des Alltags zu meistern. Musikpädagogin Watzinger ist davon überzeugt, dass viele Menschen „die Möglichkeiten, die Musik sowohl gesellschaftlich, als auch für die Gehirntätigkeit, für die persönliche Freude und Erfahrung am Positiven bringt, vollkommen unterschätzen“.
Sollte die musikalische Begleitung in diesem Jahr gefehlt haben oder gar in den weihnachtlichen Stunden fehlen, dann wäre die Erkenntnis des positiven Nutzens von musikalischer Bildung für Kinder wohl ein guter Vorsatz für das neue Jahr! Denn wenn es jemanden gibt, der offen für Neues ist, spielerisch und gerne lernt, sich motiviert Herausforderungen und musikalisch lauten Tönen stellt, dann ist das genau die Altersgruppe, die davon auch noch profitiert!
Lisa Schwinn
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