Wer kennt sie nicht, den sprechenden Elefanten Benjamin Blümchen und die kleine Hexe Bibi Blocksberg aus Neustadt? Doch der Politologe Gerd Strohmeier sieht mehr als putzige, spannende und interessante Geschichten in den berühmten Kulterzählungen von Elfie Donnelly. In einer Studie untersuchte er den Einfluss von Hörspielen auf die politische Sozialisation von Kindern.Die Studie
Strohmeier, Dozent an der Uni Passau, stellte fest, dass neben dem hohen Einfluss von Familie und Freunden auch Hörspiele ein gewisses Sozialisationspotential haben. Eine genauere Betrachtung der Blümchen und Blocksberg Inhalte lässt ihn vermuten, dass die Autorin eine Beeinflussung über die Hörspiele durchaus beabsichtige. Politische Themen, insbesondere Umweltpolitik, werden immer wieder thematisiert und die Helden der Geschichte vertreten sehr eindeutige Positionen. Außerdem werden wichtige gesellschaftliche Gruppen wie Politik, Wirtschaft und Medien durch Einzelpersonen repräsentiert. Politiker werden zum Beispiel vom Bürgermeister dargestellt. Dieser verhalte sich gerne wie der König der Stadt, behandele seine Angestellten wie Untergebene und sei meistens auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Ebenso wird er als dumm, gierig und faul beschrieben. Die Wirtschaft wird unter anderem durch einen Herrn Schmeichler verkörpert. Der profitgierige „Immobilienhai“ sei sogar bereit, andere zu betrügen, um seine Ziele zu erreichen.
Bürgermeister und Wirtschaftsvertreter sind oft Bibis und Benjamins Gegner, denn sowohl der Elefant als auch die Hexe stehen für Gemeinwohl und Gerechtigkeit. Unterstützt werden sie dabei von Karla Kolumna, der Vertreterin der Medien. Sie ist zwar etwas sensationslüstern, aber prinzipiell auf der „guten“ Seite. Ihre Artikel rütteln die arglosen Bürger auf und veranlassen sie zum Protest gegen den Bürgermeister. Dieser Protest führt in nahezu allen Folgen zu einer Lösung des Konfliktes im Sinne der „Guten“. Der Bürgermeister tritt nun doch für die gewünschte Entscheidung ein, übergeht dabei den Stadtrat, und versucht die Lösungsidee als seine eigene auszugeben. So weit, so gut!
Die Ergebnisse
Zwar wird so ein Zusammenhang zwischen Politik, Wirtschaft, Medien und der Bevölkerung hergestellt, aber die fortwährend negative Darstellung von Politik und Wirtschaft sei, nach Strohmeier, äußerst bedenklich. Es entstehe der Eindruck, dass sich alle Politiker und Wirtschaftsvertreter so verhalten wie der Bürgermeister. Genauso bedenklich ist das grundsätzlich positive Bild der Medien. Sie werden als objektiv und immer am Gemeinwohl orientiert dargestellt. Benjamin und Bibi dagegen vertreten „linke“ Ideen, aber das sei nicht der Grund für Strohmeiers Kritik. Er merkt vielmehr an, dass die Darstellungen zu einseitig seien. Die Politik kommt seiner Ansicht nach zu schlecht davon, während die Medien idealisiert werden.
Mögliche Folgen für Kinder
„Auch wenn Kinder Donnellys Geschichten hören, macht sie das später noch lange nicht zu politikverdrossenen Anarchisten, aber die Hörspiele sind oft die einzige Konfrontation mit Politik, die Kinder diesen Alters erleben.“, so die Ansichten des Politologen. Dennoch ist es laut Strohmeier nicht nötig, dass Eltern ihren Kindern Benjamin und Bibi verbieten, obwohl sie sich darüber im Klaren sein sollten, „dass die Hörspiele politisch auf keinen Fall das Prädikat “wertvoll” verdienen.“
Und dennoch:
Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg finden sich in fast allen Kinderzimmern wieder – eben ohne das Ziel der tiefgründigen politischen Bildung. Außerdem haben sich der sprechende Elefant und die fliegende Hexe schon weit über den Hörspielmarkt hinaus entwickelt, gibt es doch mittlerweile neben zahlreichen Merchandising Produkten auch Zeitschriften, Fernsehserien und sogar eine Tiefkühltorte der Figur.
Hintergrundwissen: Warum Hörspiele beeinflussen können
Kinder haben bis zum Alter von circa 13 Jahren die Tendenz zu einem schwarz-weiß Denken. Hörspiele basieren oftmals auf eben jenen Schemata, wodurch eine ähnlich undifferenzierte politische Grundeinstellung begünstigt werden kann. Es fällt Kinder leicht, sich mit den Hörspielhelden zu identifizieren. Dabei beginnen sie auch, diese Helden zu imitieren und lernen deren Einstellungen auf eine unkritische Art und Weise kennen. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch eine sehr persönliche Anrede der Kinder. Das verschafft dem Erzähler beziehungsweise dem Autor Vertrauen und erleichtert die subtile Beeinflussung. Suggestiv wirken Hörspiele auch aufgrund der Zeit, zu der sie meistens von Kindern gehört werden: vor dem Einschlafen. In dieser Phase ist ein Mensch in der Regel besonders empfänglich für suggestive Botschaften, weil er entspannt und wenig achtsam ist. Hörspiele werden von Kindern oft aus rein unterhaltungstechnischen Gründen gehört, während Politik nur am Rande auftritt. Die Beiläufigkeit begünstigt hier eine Sozialisation im Sinne des Autors.
Im Gegensatz zu Jugendlichen und Erwachsenen hat das Hörspiel bei Kindern eine verstärkte Wirkung. Entwicklungspsychologisch begründet sind Kinder sehr viel empfänglicher für auditive Signale als Jugendliche, bei denen der Sehsinn dominanter ist.
Theresia Lichtlein
Quellen:
Strohmeier, Gerd (2005): „Politik bei Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg“ in: Aus Politik und Zeitgeschichte (2005/41), S.7-15; URL: http://www.bpb.de/files/ZIH77Z.pdf
Waschinski, Gregor (2005): Interview: „Wie Bibi Blocksberg Kinder politisch verhext“ in: Spiegel online (2005), URL: http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,380238,00.html