Suizid auf Netflix – Wie verarbeitet das mein Kind?
Ausgelöst durch eine der bekanntesten Jugendserien auf Netflix ist eine Ethikdiskussion unter Expert*innen entbrannt, inwiefern empfindliche Fernsehinhalte im heranwachsenden Alter schädlich sein können. Nach Bekanntwerden einer Studie, die bestätigt, dass Inhalte von „Tote Mädchen lügen nicht“ bei Jugendlichen Suizid fördernd sein können, hat sich Netflix entschieden, die Szene der Selbsttötung zu zensieren. Es gibt aber auch andere Stimmen. Eine Einschätzung.
“13 Reasons Why” als Vorbild?
Eine der erfolgreichsten Serien des Streaming-Dienstes „Netflix“ ist die Jugendserie „13 Reasons Why“(hierzulande bekannt als „Tote Mädchen lügen nicht“). Die Serie umfasst mittlerweile zwei Staffeln. Protagonistin ist eine Teenagerin, die sich nach langanhaltendem Mobbing das Leben nimmt. Die erste Staffel endet mit dem Selbstmord des Mädchens. Zwei Dinge stehen in der Kritik: das Thematisieren und das detaillierte Abbilden von Selbsttötung. Die Serie hat eine allgemeine Debatte über den medialen Umgang mit Suizid ausgelöst.
Selbsttötungsszene wird von Netflix zensiert
Eine aktuelle Studie (Mai 2019) bestätigt nun die Kritik Vieler. Als Folge dessen hat sich Netflix entschieden, eine besonders drastische Szene aus der ersten Staffel zu zensieren. Hier wird die Selbsttötung der Protagonistin explizit gezeigt.
Anfangs wollte der Streamingservice den Befunden der Studie keinen Glauben und Beachtung schenken und verwies immer wieder auf andere Stimmen aus der Wissenschaft. Diese behaupten, dass düstere Jugenddramen, die Fähigkeit schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen, fördern. Der Gegenwind wurde jetzt aber zu groß.
Jugendliche suchen sich als Folge Hilfe bei schwierigen Themen
Ein Sprecher von Netflix äußerte sich zu der Entscheidung wie folgt: „Wir haben von vielen jungen Menschen gehört, dass ’13 Reasons Why’ ihnen geholfen hat, einen Diskurs über schwierige Themen wie Depressionen oder Selbstmord zu starten und sich Hilfe zu suchen – oft das allererste Mal.
Während wir uns diesen Sommer auf den Start der dritten Staffel vorbereiten, haben wir die Debatte rund um die Serie natürlich aufmerksam verfolgt. Basierend auf Ratschlägen verschiedener medizinischer Experten – darunter beispielsweise Dr. Christine Moutier, Chefin der amerikanischen Stiftung für Suizidprävention – haben wir gemeinsam mit dem Serienschöpfer Brian Yorkey sowie seinen Produzenten entschieden, die Szene in Staffel eins, in der Hanna sich das Leben nimmt, zu bearbeiten.“
Explizite Darstellungen als Anleitung
Netflix bleibt dabei, dass das Thematisieren von schwierigen Themen wie Depressionen und Suizid wichtig ist. Die Macher wollten mit der blutigen Darstellung der Selbsttötung einen erschreckenden Effekt bewirken, in dem die Darstellung möglichst realistisch ist. Die Macher haben aber eingesehen, dass besonders gefährdete Jugendlichen die Szene als Anleitung zur Selbsttötung nutzen könnten.
Daher hat Netflix der Änderung der Szene zugestimmt. In einem Statement ließen sie verlauten: „Keine einzelne Szene ist wichtiger als die Existenz der Serie selbst und ihre Botschaft, dass wir alle mehr aufeinander aufpassen müssen. Wir glauben, dass die Änderung dazu beitragen wird, dass die Serie am meisten Gutes für möglichst viele Menschen bewirken kann und gleichzeitig das Risiko verringert, das besonders für vulnerable junge Zuschauerinnen und Zuschauer vorherrscht.“
Rate der Suizide Jugendlicher stieg um 30 Prozent
Die anfangs erwähnte Studie kam zu dem Ergebnis, dass im April 2017, dem Monat, in dem die Serie an den Start ging, die Suizidrate von amerikanischen Jugendlichen im Alter zwischen 10 und 17 Jahren um 30 Prozent angestiegen sei. Die Erhebung umfasst den Zeitraum von Januar 2013 bis Dezember 2017, also vor und nach dem Erscheinen der ersten Staffel Ende März 2017.
Verschiedenste Medien sprechen von dem so genannten „Werther-Effekt“. Gemeint ist der kausale Zusammenhang zwischen Selbsttötungen und ihrer medialen Darstellung. Ältere Studien zeigen steigende Suizidraten im Zusammenhang mit dem Suizid einer berühmten Person und der ausführlichen Berichterstattung darüber. Noch stärker ist dieser Effekt, wenn viele Details über die Umstände bekannt sind.
Warnsignale Suizidgefahr:
Fazit:
Wir halten es für wichtig, dass Kinder und Jugendliche frühzeitig auch mit schwierigen Themen konfrontiert werden. So hat man als Erwachsener auch noch die Möglichkeit in die Art der Konfrontation einzugreifen und kann vor allem zusätzliche Aufklärungsarbeit leisten. Betreffende Heranwachsende haben eine Erklärung für ihre Gefühlswelt und fühlen sich somit nicht allein damit. Im besten Falle nehmen sie dies als Anlass sich helfen zu lassen oder suchen zumindest das Gespräch. Wir begrüßen also das Thematisieren von Suzid, aber es gibt natürlich dabei Grenzen bei der Darstellung.
Das Kind schreit
stundenlang und nichts scheint zu
helfen, die Teenager-Tochter hört nicht, der 17-jährige Sohn schwänzt die Schule… Diese Situation kennen sicherlich alle Eltern und vor allem junge Mütter und Väter können dann an ihre Grenzen geraten. Aber an wen kann man sich wenden, um Hilfe zu bekommen, ohne als „Versager*in“ dazustehen?
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