Selbstverletzung im Internet – ein Aufschrei der Seele!

 

Selbstverletztendes Verhalten ist verbreiteter als sich viele Eltern eingestehen wollen. Als ersten Impuls zeigen die meisten Menschen absolutes Unverständnis, wenn Jugendliche sich selbst verletzen und sich dabei sogar noch filmen. Die Ursachen liegen jedoch tief in der Seele und die Selbstverletzung ist Ausdruck seelischen Schmerzes. Wir haben uns mit dem Thema, auch aus ärztlicher Sicht, näher befasst und möchten einen Überblick geben woher dieses Phänomen stammt, was es bedeutet und was man als Elternteil dagegen tun kann.

 

Was ist SVV?

„Unter Selbstverletzendem Verhalten (SVV) versteht man Handlungen, bei denen es zu einer bewussten Schädigung der Körperoberfläche kommt“

Neurolog*innen und Psychiater*innen ordnen Selbstverletzung als kein selbstständiges Krankheitsbild ein, sondern als Symptom einer psychischen Störung oder Erkrankung. Jugendliche mit psychischen Störungen oder Problemen haben ein besonders hohes Risiko, selbstverletzendes Verhalten zu entwickeln. Die Selbstverletzung ist dabei kein Ausdruck suizidaler Gedanken. Weltweit wird davon gesprochen, dass etwa ca. 19% der Jugendlichen mindestens einmal in ihrem Leben selbstverletzendes Verhalten gezeigt haben. Mädchen sind dabei häufiger betroffen als Jungs.

Wie verletzen sich die Betroffenen?

Die häufigste Form der Selbstverletzung ist das Zufügen von Schnittverletzungen mit scharfen oder spitzen Gegenständen wie Messern, Rasierklingen, Scherben oder Nadeln. Meist „Ritzen“ oder „Schneiden“ sich die betroffenen Jugendlichen vorwiegend an Armen und Beinen sowie im Bereich von Brust und Bauch. Aber auch Verbrennung oder Verätzungen kommen bei selbstverletzendem Verhalten vor.

Dafür verwenden sie Feuer, Zigaretten oder Bügeleisen. Während der Verletzung schüttet der Körper Glückshormone aus, was zunächst zu Schmerzunterdrückung führt. Aufgrund der kurzzeitigen Glücksgefühle kann bei Jugendlichen das Bedürfnis nach einer Wiederholung entstehen.

Was sind die Ursachen?

Die Ursachen sind oft vielschichtig. Selbstverletztendes Verhalten ist eigentlich immer ein Ausdruck starker seelischer Belastung. Die Pubertät ist oft ein Auslöser, da es ohnehin schon eine emotional sehr angespannte Zeit ist. Jugendliche, die sich selbst verletzen, scheinen Probleme zu haben mit ihren eigenen Gefühlen und Emotionen umzugehen. An erster Stelle stellt dabei meist der Wunsch Spannungen abzubauen. Häufig geschieht die Selbstverletzung auch als Selbstbestrafung.

Betroffene berichten, dass sie so negative Gefühle wie Einsamkeit, Angst oder Aggressionen abschwächen. Es wird zu einer Art Bewältigungsstrategie für die betroffenen Jugendlichen. Selbstverletzung kann aber auch ein Zeichen einer ernstzunehmenden psychischen Erkrankung sein. Besonders häufig kommt es im Rahmen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung zu Selbstverletzungen. Aber auch Depressionen, Ess- Zwangs- oder Angststörungen können die Ursache sein.

Warum filmen die Jugendlichen sich dabei?

Das Präsentieren von Selbstverletzung hat sich auf, bei Jugendlichen beliebten, Communities und Videoplattformen zu einem regelrechten Trend entwickelt. Dort werden detailliert Methoden diskutiert und Erlebnisberichte dargestellt. Das sind Schilderungen von Schneidetechniken mit Tipps zur Wundversorgung, sowie Bilder stark blutender und tiefer Wunden. Bei bereits Betroffenen, die sich solche Inhalte anschauen, kann dies als „Trigger“ wirken. 

Die Konfrontation mit derartigen Inhalten kann bei Kindern und Jugendlichen gefährdende Verhaltensweisen auslösen oder verstärken, wenn nicht sogar zum Ausprobieren weiterer Gefährdungsarten anregen. Besonders bedenklich sind vor allem Inhalte, die Selbstverletzung als Symptom psychischer Erkrankungen leugnen und es als normales Verhalten darstellen. 

Tipps, was man dagegen tun kann

Es ist fatal, SVV bei Jugendlichen als harmlose Modeerscheinung zu sehen, denn es ist Zeichen einer ernstzunehmenden krisenhaften Entwicklung. Wir haben einige Tipps aufgelistet, was man als Elternteil machen kann:

  • Wenn der Verdacht besteht, dass sich dein Kind selbst verletzt, solltest du möglichst zeitnah einen Kinder- und Jugendpsychiater oder –psychotherapeuten aufsuchen, um sicherzugehen, dass dein Kind rasch Hilfe erhält
  • Du solltest Selbstverletzung nicht als eine “komische” Angewohnheit einstufen, sondern ernst nehmen. Dein Kind spürt, ob du es wirklich verstehen möchtest oder nur möglichst schnell ein Problem beiseiteschaffen willst
  • Such das Gespräch zu deinem Kind. Dabei sollte es zunächst nur um die Empfindungen der Jugendlichen gehen. Ihre Probleme und Sorgen sollten ernst genommen werden und Eltern sollten ihren Kindern Anteilnahme und Verständnis zeigen.
  • Bezugspersonen sollten ruhig bleiben und ihre Gefühle unter Kontrolle haben. Für Eltern ist es dies oft sehr schwierig, insbesondere wenn es bereits viele Auseinandersetzungen gegeben hat oder wenn Eltern zu besorgt sind. Deshalb ist es in vielen Fällen sinnvoll, dass auch Eltern sich professionelle Hilfe holen
  • Sollten dir Internetseiten, Profile oder Gruppen auf Social-Media-Plattformen mit Darstellungen auffallen, die Selbstverletzungen einseitig verharmlosen oder gar verherrlichen, dann melde diese bitte immer zuerst an den Support der Plattform (z.B. über die Meldefunktion). Die Plattformbetreiber tragen als Anbieter von Speicherplatz für fremde Inhalte eine große Verantwortung. Sie können am schnellsten und effektivsten dazu beitragen, dass Kindern und Jugendlichen der Zugang zu diesen Inhalten erschwert wird.

 

Fazit:

SVV ist ein ernstzunehmendes Problem und sollte auf keinen Fall nur als Modeerscheinung oder Trend abgetan werden. Wichtig ist es, offen für Ängste und Sorgen des Kindes zu sein, damit es nicht anderweitig seine Gefühle ausdrückt. Besonders wichtig ist es, Vorfälle die Selbstverletzung im Internet zeigen, den entsprechenden Plattformen zu melden. Nur die sind in der Lage den Zugang zu solchen Inhalten zu erschweren bzw. gar nicht erst zu ermöglichen. Ansonsten wird es weiterhin viele Nachahmer*innen geben.

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